2. Oktober 2004

Kindernöte

 

Belustigend ist die Lektüre dieser 29 knappen Berichte aus der Kindheit Burkhard Spinnens. Zwanghaft, rothaarig, mager blass, genau, ängstlich und in der Not erfinderisch. Man muss sich Burkhard Spinnen in den 60er Jahren in friedliche Basteltätigkeit versunken vorstellen. Akkurat den Falz an die markierte Ecke legend. von Zeit zu Zeit schaut er auf die genau zur Hälfte aus seinem Pullover hervorstehende Uhr, um den weltbesten und vom Hersteller empfohlenen Klebezeitpunkt abzupassen. Diese Uhr hat auf dem Glas eine matte Stelle genau zwischen 10 und 11 Uhr.

Alles geordnet. Nach Maß, Zahl und Gewicht. Etikettiert mit Namen versehen und natürlich nummeriert. In einer seiner Geschichten spricht er es selbst aus: Der Sammler tötet seine Dinge durch Ordnung und diese ist nur eine sublimierte Form der Vernichtung.

Spinnen hat sich wegen übermäßig großer Liebe zu Dingen oft von diesen nur durch ihre Zerstörung freimachen können. Aber diese Zerstörung ist kalkuliert, je nach Material werden bestimmte Verfahren angewandt. Später ist er Sammler geworden.

Diese Textsammlung Spinnens ist trotz der Sorgsamkeitsmeisterschaft weder verstörend noch zu Tode geordnet, sondern lose chronologisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

In „Legosteine“ sind Spinnens Kindernöte illustriert mit spinnenbeinigen, nicht weniger nothaften und schutzbedürftigen Grotesken, die die ganze neurotische Verfasstheit endgültig dem Amüsement preisgeben. Die Details, die im Text fehlen, weil die Kapitel einfach zu kurz sind, kann man in den Zeichnungen von Kay Voigtmann finden.

 

Gustav Mechlenburg

 

Burkhard Spinnen: Lego-Steine, Schöffling 2004, 100 Seiten

 

amazon