19. August 2004

Ein Haus als Zeuge

 

Das Leben an sich ist banal, und wo könnte dies deutlicher zum Ausdruck kommen als in einem Reihenhaus in einer Vorortsiedlung. Das Haus, um das es in Glenn Pattersons Roman „Hausnummer 5“ geht, steht in einem Vorort, der in den 50er Jahren erbaut wurde. Doch die Tatsache, dass dieser Vorort zu Belfast gehört und damit vor einer Stadt liegt, die für einen lang andauernden Bürgerkrieg und ständig präsente Gewalt bekannt ist, ist nur am Rande von Bedeutung, vornehmlich interessiert sich der Autor für die wechselnden Bewohner des Reihenhauses Nummer fünf, mit dessen Verkaufsanzeige jedes Kapitel beginnt.

An den Bewohnern und ihrem Leben werden die gesellschaftlichen Veränderungen deutlich. Die einzige Konstante ist die Nachbarin Ivy Moore, die im Haus gegenüber lebt. Mit siebzehn schon verheiratet und Mutter, nimmt sie am Leben ihrer Nachbarn mehr oder weniger geduldet teil, sorgt jedoch am Schluss des Romans für den Zusammenhang der einzelnen Geschichten.

In den Kapiteln gewährt jeweils eine im Haus lebende Person als Ich-Erzähler Einblick in das Vorstadt-Leben. Dabei werden so unterschiedliche Themen wie Emanzipation, Fremdenfeindlichkeit und Religion gestreift. Beispielsweise hat Stella, die erste Bewohnerin des Hauses, Schwierigkeiten mit ihrer Rolle als Ehe- und Hausfrau, weshalb es am Ende zum Eklat kommt. Oder der Sohn der chinesischen Familie Tan versucht, trotz ständiger Anfeindungen, möglichst unbeschadet durchs Leben zu kommen. Dabei bleibt es nicht aus, dass auch er Gerüchte verbreitet, deren Tragweite kaum zu ermessen ist. Catriona Eliot dagegen muss mit ansehen, wie ihr Mann und ihre Kinder plötzlich von einer fanatischen Religiosität erfasst werden, die sie nicht verstehen kann.

Letztendlich geht es in Pattersons solide geschriebenen Roman um alltägliche Probleme ganz normaler Menschen. Das ist an sich nicht weiter spannend, bekommt aber vor dem Hintergrund der nordirischen Realität, die mal mehr, mal weniger deutlich zu spüren ist, eine durchaus interessante Note, da Normalität hier nur unter erschwerten Bedingungen zu haben ist.

 

Katrin Zabel

 

Glenn Patterson: Hausnummer 5, Verlag Kiepenheuer und Witsch 2004, Roman 378 Seiten, übersetzt von Bernhard Robben

 

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