11. Juni 2004

Banaler Balkan

 

Sie selbst bezeichnet sich eher als gute Beobachterin denn als gute Schreiberin. "Ich wollte nur zeigen, wie verrückt das Leben sein kann. Wie blöd alles sein kann. Und wie banal die Normalität", sagt Rujana Jeger über ihren Debütroman "Darkroom". Leider ist Jeger eine eher durchschnittliche Beobachterin und nebenbei eine unfreiwillig komische Autorin, siehe: "Manchmal hüpft mein Herz richtig, wie in einem Schundroman" oder "Die Wurzel meines Problems ist mir nicht klar, denn mit unserem Zusammenleben bin ich sehr zufrieden."

 

Trotzdem schwimmt Jeger mit auf der Welle des großen Interesses an junger Ostliteratur. So geht es in ihrem Roman um das ehemalige Jugoslawien und darum, dass es auch dort Hippies und Grufties gab. Protagonistin Morana ist im Zagreber Boheme-Milieu aufgewachsen. Als Mittzwanzigerin ist sie Studentin in München. Der Rest der Familie lebt durch den Jugoslawienkrieg in der Welt verstreut. In kurzen Passagen berichtet Jeger von einer Kindheit in Zagreb und einer Jugend zwischen Kroatien und Deutschland. "Ernst und depressiv sein war modern nach dem Vorbild der Existenzialisten. Man trug Schwarz", erfährt man und dann auch noch: "Ich hatte als Einzige kein schreckliches Geheimnis. Ich war als Einzige nicht cool."

 

Also nimmt Morana Drogen. "Ich bin süchtig. Ja so ist es, viele junge Leute aus der Stadt wissen mit Ende 20 nicht, wo ihre Position in der Welt ist und ob es die überhaupt gibt. Nicht die Welt, die Position. Die so genannte Generation X."

 

Soweit, so seltsam. Doch damit ist es noch lange nicht genug mit den Merkwürdigkeiten. Um ihren Roman auf ein noch höheres extra-ordinäres Niveau zu hieven, lässt Jeger zwei weitere atemberaubende Randgruppenvertreter auftreten: den schwulen Kristijan und Moranas Hippie-Vater. Beide Figuren versprechen unkonventionelle Sexpraktiken und äußerst spezielle Weltanschauungen. "Das Leben ist wie ein Darkroom", sagt Kristijan. "Du weißt nie, wer dich wie fickt und wen du wie fickst. Aber es ist zu aufregend, als dass du einfach so rausgehen könntest."

 

Wer jetzt nicht staunt, dem ist nicht mehr zu helfen. In Jegers Roman ragen auf jeder Seite mindestens zwei Textblöcke multiperspektivisch, aber bedeutungslos ins Ungefähre. Die Autorin scheint von einer Sehnsucht nach Dichte getrieben zu sein. Allerdings wischt Jeger beim Schreiben über Worte wie Inhalte, ohne den Hirnlappen auszuspülen.

 

Hauptberuflich ist Jeger als Journalistin für verschiedene Frauenmagazine unterwegs. Das ist ihrem Buch anzumerken. Wo sie detailliert beschreiben müsste, geht sie leichterdings über Situationen und Figuren hinweg. Am besten kommt noch der Vater weg. Der ist viel cooler, als die Autorin es vermutlich jemals sein wird. "Die Zimmertür steht offen, Papa von Räucherstäbchen umgeben. Im Lotussitz. Indische Musik erklingt. Er rezitiert sein Mantra." Er ist grotesk und wird damit zur einzig erkennbaren Figur zwischen all den anderen Dutzendvisagen. Vielleicht hätte man ihn das Buch schreiben lassen sollen.

 

Gustav Mechlenburg

© 2004 Financial Times Deutschland

 

Rujana Jeger: "Darkroom", C.H. Beck, 153 S., 17,90 €

 

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