2. August 2021

Räuber Kneißl



Kultmensch Franz Dobler hat insgesamt drei Gedichtbände veröffentlicht. Sie sind nicht das Herz seiner literarisch-widerständigen Existenz, diese liegt eher in den Romanen und im Auflegen etc., doch alle drei Bände haben Herz. Insofern, dass man ihnen ihre Unverstelltheit an keiner Stelle absprechen kann. Lesend bekommt man den Eindruck, Dobler spricht/dichtet direkt selbst, vermutlich würde er sagen: Hier wird noch persönlich gedichtet. Sein lyrisches Ich jedenfalls ist nicht nur wortkarg, es ist patzig und an vielen Stellen ein wenig aus dem zeitgenössischen Takt. Mehr noch, es herrscht eine eher skeptische Haltung der lyrischen Form an sich vor. Als ob sich Dobler als Dichter nicht ganz über den Weg traut, trauen sich seine Gedichte in puncto Sprachspiel nicht viel. Im Gegenteil, sie brauchen Doblers Herz, alle seine Referenzen (von Country über Kinski bis süddeutsche Regionalia), alle seine Urteile, Vertappungen, Seufzer. Vor allem brauchen sie vorliegenden Gesamtband: Ich will doch immer nur kriegen was ich haben will versammelt die Bände-Trilogie als gut ausgestattetes Hardcover mitsamt aufschlussreichem Interview und verrauschten Fotografien von Juliane Liebert (starfruit publications). Insbesondere das Zusammenspiel mit Lieberts Momentaufnahmen macht im Wechsel mit den Dobler’schen Lyrikversuchen einen spannenden Raum auf. Sie reißen sich gegenseitig hoch.


Doblers Verse können bisweilen richtig gut sein, mit ganz wenigen Worten, sozusagen unter aller Ohr hindurch Dinge überraschend auch frisch auf den Punkt bringen. Aber die Gedichte schwanken untereinander dermaßen, als wären sie alle zusammen eine Bar mit unterschiedlichen Pegelständen. Und auch die Beständigkeit in den Einzelgedichten steigt und fällt permanent. Besonders Doblers Hang zu Schlusspointen, sein penetrantes Unterschätzen der Leser:innen können mitunter danebengehen, das Ganze zum Einsturz bringen. Aber er steht dazu. „Mir ist so langweilig/ meine Schuhe laufen schon/ ohne mich rum.“


Seine Konsequenz ist beachtlich, das zeigt sich im Interview. Franz Dobler schert sich um eine ganze Menge, nur nicht um Ungelebtes im Schreiben. Um seine Gedichte auf den Punkt zu bringen: Sie sind authentisch, das ohne jeden Verdacht ausgesprochen. Zusammen mit Liebert bilden sie eine mutige, unalltägliche Leseerfahrung aus, die weniger in ihren Fails als in ihrer Gesamtheit zu lesen sein sollte. Vielleicht wie eine lyrische Biografie mit Höhen und Tiefen, wie sie einem tingelnden Countrymusician stehen würde, mit denen sich Dobler als Archivar, Konservator und Lebendighalter gern umgibt.

"Jim Beam bläst den Kopf weg
Johnnie Walker macht eine Wampe
Jameson ist Dreck und
Ballantine’s eine Pampe.

Jack Daniel’s zersetzt den Magen
Wild Turkey dreht ihn um
Four Roses liegt drin wie ein Klotz
Tullamore Dew ist dünn wie Stroh
Canadian Club kannst du vergessen
und Bushmills hab ich auch gefressen
Glenfiddich ein Angebergesöff
Paddy eine Plörre und
VAT 69 verträgt kein Schwein.

Buffalo Trace stinkt
George Dickel ist schlimmer
Fighting Cock viel schlimmer
Cutty Sark was für Anlagebetrüger
Heaven Hill für Messdiener
Rebel Yell Jauchegrube
Black Velvet Damenbinde
Rittenhouse Rye riecht im Abgang.
[...]"



Jonis Hartmann

Franz Dobler: Ich will doch immer nur kriegen was ich haben will. Starfruit, Nürnberg 2020