29. Dezember 2020

Gebautes Manifest



Mit einem Sammelband huldigt Wasmuth & Zohlen dem „gebauten Manifest“ E.1027 der Architektin und Designerin Eileen Gray. Die spätberufene Raumkünstlerin fand in den 20er Jahren mit E.1027 zu einer eigenen selbständigen Bauform und schuf eine Ikone der Moderne an der französischen Atlantikküste, randvoll mit Erfindungen, Möbeln, die zu Designklassikern wurden, in einer Radikalität, die selten erreicht worden ist. Tatsächlich auch nicht von ihrem Rivalen Le Corbusier, der so besessen von diesem Raumkunstobjekt wurde, dass er nicht nur sein „Cabanon“ in Sichtweite Nachbarschaft errichtete, sondern nicht abließ sich selbst ins E.1027 einzuladen, bis man ihm erlaubte (ohne Grays Wissen), großflächige Wandgemälde dortselbst hineinzupfuschen, die nicht nur Grays Farbkonzept auf immer zerstörten, sondern ihr selbst das eigene Werk derart leidig machten, dass sie nie wieder einen Fuß hinein setzte. So ist das Buch, das Wilfried Wang und Peter Adam an der University of Austin herausgegeben haben, sowohl als Essaysammlung als auch als fotografische Dokumentation der Neueröffnung der Villa vor rund einem Jahr, eine Erzählung von männlicher Aneignung und Diskreditierung eines der großen kompromisslosen Werke Eileen Grays. Neben Originalfotos von Gray selbst, die die über 100 Einzelgegenstände des Gesamtkunstwerks aus eigener Perspektive abbilden, zeigt das Buch Skizzen, Pläne, alt wie neu und vor allem Fotografien des heutigen Zustands von E.1027. Als umfangreiches Nachschlagewerk sind vor Ideenreichtum überbordende Innenräume zu sehen, dazu eine spärliche skulpturale Gebäudehülle, die vor allem Leichtigkeit und Eigenwilligkeit ausstrahlt, mit stofflichen wehenden Sonnenschutzapplikationen. Ein reichhaltiger Ort, in angemessener buchlicher Ausstattung.

Jonis Hartmann

Eileen Gray: E.1027, 1926–1929, Wasmuth & Zohlen, Berlin 2020

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