17. Dezember 2019

Herzog & de Meuron. 001-500

 

Über Herzog & de Meuron kann man sagen, was man will, sich aufregen, wundern, freuen, ärgern. Definitiv nicht von der Hand weisen kann man, dass die beiden Schweizer es seit bald 50 Jahren geschafft haben, überall auf der Welt kapitale Projekte auf die Beine zu stellen und gegen alle Widerstände durchzuziehen. In insgesamt drei Editionen stellt Simonett & Baer die Projekte der Ordnungsnummern 001-500 vor, von ihrem Gründungsjahr 1978 bis 2019, als Ein-Foto-pro-Projekt. Wenn überhaupt. Denn spannenderweise haben viele Projekte kein Bild, der Frame bleibt frei. Aus Gründen der Privatheit, des unvollendeten Projektstatus oder anderen. Es ist angesichts dieser kommentarlosen Diashow jedenfalls eine jedes Mal erfrischende Auflockerung im Stream. In der Paperbackedition, die ebenfalls mit einem individuell gestalteten Farbverlauf auf dem Cover bedruckt ist, kann man relativ erschwinglich sich jenen Überblick verschaffen, der das Werk der beiden Basler früh in eine nicht einordnenbare Vielheit schiebt, egal an welcher Stelle man das Blättern startet. In Größe wie Bauort, Auftragsvolumen oder Zweck vollkommen divers, teilweise winzig, teilweise monströs sind H d M’s Bauten immer eine Spiegelung ihrer Entstehungszeit, phänomenal offen für neue Bausysteme und die Zeichenhaftigkeit ihrer Mittel. Absolut unerreicht ist ihre Wandelbarkeit in der materiellen Fassadengestaltung, die gewollte Oberflächlichkeit der Inszenierung der Raumgrenzen und die Überraschungsmomente in der Raumerfahrung (Letztere natürlich kaum durch ein einziges Bild vermittelbar).

Völlig verblüffend auf der anderen Seite ist allerdings auch, wie oft das Büro total daneben liegt, und Projekt über Projekt in die Landschaft „haut“, ohne auch nur irgendeine Qualität ihrer eigenen herausragenden  Bauten annähernd zu erreichen. Dies scheint sich insbesondere dann abzuzeichnen, je massiver oder  „schwerer“ die Gebäudeidee an sich ansetzt – wohingegen das Leichte, Transparente in den Fassaden, unabhängig von den Kubaturen, ihnen beinahe immer gelingt. Zum Teil abenteuerlich gut.

Was das Buch nun vermag, ist in einer Art Pecha Kucha im gesteigerten Lesetempo die gebauten und nicht gebauten Ideen dieses Global Players vorbeistreifen zu lassen. Den Mikrokosmos ein wenig zu relativieren. Große Objekte wie die Elbphilharmonie bekommen ebenfalls nur ein Bild, genauso die beispielsweise nicht realisierte Önerei auf dem Land, was einen unverstellten Blick auf die Gestaltungsphilosophie des Büros zulässt, deren Geheimnis, eines von vielen, sein könnte, sich auf nichts Dauerhaftes einzulassen, sondern mal ein Programm abzuspulen, das einem gewissen „Internationalen Stil X“ gleichen könnte, dann allerdings sehr individuelle Würfe zu lancieren von solitär-skulpturaler Qualität, dann wiederum krass „Unpassendes“ in Wettbewerbe einzureichen, die verstörende Perspektiven aufwerfen. Die Publikation, mit einem einleitenden Essay von Michel Kessler versehen, schafft es durch das minimalistische Editing-Konzept, jene „oberflächliche“ Annäherung an das Gesamtwerk des Büros vorzunehmen, ohne sich in irgendeine Tiefe zu verirren oder Bevorzugungen zu erzeugen, die durch keine Fachidiotie abschreckt, sondern eben offen bleibt, aber alles abdeckt an baulichen Antworten auf unterschiedliche Fragestellungen.

 

Jonis Hartmann

 

Herzog & de Meuron. 001-500, Simonett, Basel 2019

www.simonettbaer.com
 
www.artbookcologne.com