28. Dezember 2018

Gedichte

 

Elizabeth Bishop ist zweifelsfrei eine der wichtigsten DichterInnen im vergangenen Jahrhundert. Im Deutschen nahezu unzugänglich, weil wenig bis überhaupt nicht übersetzt. Bisher. Steffen Popp und der Hanser Verlag haben dies endlich geändert und sämtliche Gedichte inklusive einiger verstreuter aus dem Nachlass übersetzt bzw. herausgegeben. Mit einem vorzüglichen Nachwort versehen lässt der ansprechend zurückhaltend gestaltete Band nichts zu wünschen übrig, außer, dass der grandiose Übersetzer Popp hier ungewohnt oft danebenliegt. Seine Übersetzungen von Ben Lerner und Christian Hawkey (mit Uljana Wolf) vor Jahren bei lux- bzw. kookbooks waren fantastisch ebenbürtige Gebilde, die ein Parallelogramm im Stande waren aufzubauen, voller Respekt, Findungsreichtum und wall of sound-Qualität. Leider ist Bishop aber eine andere Kragenweite, das heißt nicht leider, sondern tatsächlich. Das Besondere Bishops, nicht nur ihrer Biografie und Interessen, ist, dass sie in einem anderen Takt unterwegs ist. Sie ist bestürzend einfach. Um nicht zu sagen, erschreckend. Ihr Tempo, ihre Wahl der Worte ist finit. Es gibt keine Näherung in einer anderen Sprache, denn so und nicht anders hat sie es geschrieben. Anders als die o. g. Zeitgenossen taucht Bishop in ihren nur vier zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichtbänden, so wie ihre geniale Mentorin Marianne Moore, ab und hinterlässt nichts als Technik der Präzision. Sie ist eine Gestalterin, die nichts dem Zufall überlässt, und jede tonale Abweichung in der Übersetzung ist so heikel, dass es das fragile Gedichtgebilde zum Kippen bringt. An fast keiner Stelle gelingt es Popp, eine durchgehende Ebenbürtigkeit herzustellen. Seine Übertragungen sind, obwohl in sich sympathisch, nur eine akute Lesehilfe zum Original. Bishop, interessiert an Tieren, Ländern, dem Strand und Wartesälen, aber auch Alkohol und Tankstellen, schafft es, in oft völlig neuen Formen (sie wiederholt sich niemals, ähnlich Tranströmer) ein überraschendes, beinahe ikonisches Bild Amerikas in vier Jahrzehnten zu zeichnen. Und auch wenn der Vergleich doof ist, aber, was sie schreibt, ist nicht wegzudenken in der Art wie Edward Hoppers letztlich enigmatische Momente einer "Kultur" aus Schildern und Landschaft es nicht sind. Wie Bishop beispielsweise es schafft, im Gedicht Filling Stationdas Wort Essoeinzubauen, ist schlichtweg genial. Was Popp macht, ist, dass er die einfachen Elemente wie Silbenklang, -verwaltung oder Repetition, die neben zahllosen anderen Mitteln Bishops ein System aus Türen darstellen, relativ wahllos belegt oder ignoriert, sodass sich ein komisch-schweres Deutschtum hineinmündigt, das die Gedichte ihres Ursprungs beraubt. Bishop braucht Amerika, und die Welt braucht Bishop. Insofern Hut ab vor der Leistung, eine gut funktionierende Ausgabe bereitzustellen, ein respektvolles Nachwort und gut recherchierte Anmerkungen dazuzugeben, aber es darf gerne mit anderen Übersetzungskonzepten weiter versucht werden, Elizabeth Bishops Jahrhundertkunst in anderen Sprachen zu re-evozieren.

 

Jonis Hartmann

 

Elizabeth Bishop. Gedichte. Hanser. München 2018

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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