16. Dezember 2018

Freies Spiel im Doublebind

1 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2004, Acryl auf Leinwand, 180 × 200 cm
2 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2008, Acryl auf Leinwand, 140 × 180 cm
3 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1990, Acryl auf Leinwand, 247 × 195 cm
4 Bernard Piffaretti, v.l.: „Ohne Titel“, 2006, 195 × 130 cm; „Ohne Titel“, 1987, 64 × 93 cm; „Ohne Titel“, 1999, 210 × 180 cm; alle Arbeiten Acryl auf Leinwand. Ausstellung „On inachève bien les tableaux“, 2009, Musée d’art moderne et contemporain de Saint-Étienne Metropole, Saint-Priest-en-Jarez, Frankreich
5 Bernard Piffaretti, v.l.: „Tableau en négatif“, 2010, Ø 60 cm; „Ohne Titel“, 2008, Acryl auf Leinwand, 160 × 180 cm; alle Arbeiten Acryl auf Leinwand. Ausstellung „Avant/Post“, 2010, Frac Haute-Normandie, Rouen, Frankreich
6 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2003, Acryl auf Leinwand, 201 × 302 cm
7 Bernard Piffaretti, „Paradigme“, 1982, Acryl auf Leinwand, 193 × 300 cm
8 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1984, Acryl auf Leinwand, 187 × 292 cm
9 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1987, Acryl auf Leinwand, 246 × 195 cm
10 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1989, Acryl auf Leinwand, 247 × 196 cm
11 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1991, Acryl auf Leinwand, 248 × 195 cm
12 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 1997, Acryl auf Leinwand, 200 × 250 cm
13 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2001, Acryl auf Leinwand, 150 × 150 cm
14 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2003, Acryl auf Leinwand, 142 × 152 cm
15 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2008, Acryl auf Leinwand, 180 × 180 cm
16 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2013, Acryl auf Leinwand, 130 × 180 cm
17 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2014, Acryl auf Leinwand, 120 × 80 cm
18 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2014, Acryl auf Leinwand, 200 × 200 cm
19 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2015, Acryl auf Leinwand, 200 × 239 cm
20 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2016, Acryl auf Leinwand, 150 × 150 cm
21 Bernard Piffaretti, „Ohne Titel“, 2016, Acryl auf Leinwand, 200 × 240 cm

 

Zur Malerei von Bernard Piffaretti1

 

Mitte der 80er-Jahre2 trifft Bernard Piffaretti eine Entscheidung, die für sein weiteres malerisches Werk bestimmend sein soll: Fortan malt er jedes Bild zweimal, wiederholt sich auf ein und derselben Leinwand demonstrativ selbst. Das hat er seither konsequent fortgeführt und darüber ein eigenwilliges, ebenso diskontinuierliches wie vielfältiges Œuvre entwickelt. Ein Werk, das, wie er selber sagt, keine Chronologie mehr kennt,3 und in dem sich nicht in Jahren und Dekaden, sondern von Bild zu Bild stilistisch alles ums Ganze ändern kann – und auch tatsächlich ändert. Während sich seine Malerei konstant im Paradigma der Wiederholung entfaltet, der aktiven Zweitaneignung eines bereits Eigenen, macht dieser Kunstgriff das Bild selbst auch zur kontextuellen Bühne, es klammert malerische „Inhalte“ gleichsam ein, und verschafft der Malerei auf diese Weise ein Terrain fürs offene Experiment. 

Piffarettis Ansatz basiert auf einer Verknüpfung von Diskontinuität und Wiederholung: Immer aufs Neue konfrontiert, reflektiert, festigt und destabilisiert er zugleich seine Gemälde durch das ihnen beigesellte Double. Das auf einer der Leinwandhälften gemalte Bild wird auf der jeweils anderen ein weiteres Mal ausgeführt – händisch, zügig, treffsicher – und lässt minimale Unterschiede in der Umsetzung als prozesshafte Differenz ins Bildgefüge einfließen. Dass Piffaretti ein Bild dabei mal auf der linken, mal auf der rechten Seite beginnt, macht es für Betrachter aber letztlich unentscheidbar, was da „Original“ und was „Kopie“ sein mag – und macht diese Ungewissheit so auch produktiv. Denn dadurch stellen sich unmittelbar verschiedene Lesarten ein, die das Bild nicht nur von Betrachter zu Betrachter sondern auch innerhalb der je eigenen Bildlektüre zu einem anderen werden lassen und es so quasi inmitten von Differenz etablieren.

Immer steht in Piffarettis Gemälden ein schmaler Streifen mittig vertikal zwischen den Sphären – seinerseits farbig ausgeführt als Teil der Malerei, trennt und verbindet er die Bildpartien wie ein newman’scher Zip: Er ist die neutrale Zone, an ihm kondensiert jenes Moment von différence et répétition, das Piffaretti in seinen Bildern erprobt, erforscht und in faszinierender Vielfalt immer wieder neu erfindet. So vollzieht sich hier der Struktur nach stets das Gleiche. Doch die Bilderfindung selbst, durch Kontextualisierung förmlich freigestellt, ist desto ungebändigter. Im Zusammenspiel der Doubles liegt ungeahntes Potenzial, denn die Wiederholung erzeugt immer auch ein Echo, das das „ursprüngliche“ Bild nicht bloß auf sich selbst zurückverweist, sondern auch in überraschende Rhythmen, Schichtungen und Iterationen hineinlockt.

Basis und Angelpunkt des Werks, quasi sein konzeptueller Kern, ist der Selbstrekurs der Malerei. Der wird zum tragenden Stilelement, rückt die Bilder aber auch in die Vereinzelung – denn ein jedes ist dadurch in sich beschlossen, und jedes weitere eröffnet einen neuen, eigenen Diskurs. So ist es nur konsequent, wenn Piffaretti das Einzelbild aus der Kontinuität von Stileinheit herauskatapultiert. Und das lässt sich unmittelbar sehen: Wer in Ausstellungen und Katalogen des Malers, auf seiner Website4 oder hier neben dem Text5 Bilder der letzten Jahrzehnte betrachtet, wird mit eben jener strukturellen Gleich- und Überzeitlichkeit der Werke konfrontiert. Dabei ist eine solche Aufhebung ästhetischer Kontinuität sonst nicht gerade das, das man in der innovations- und sensationsverliebten Kunstwelt anstreben würde, ja, sogar etwas, das mit voller Absicht eigentlich recht schwer zu bewerkstelligen ist. Piffaretti gelingt das allerdings verblüffend effektiv: Tatsächlich lassen sich seine Bilder nach visuell-kompositorischen Aspekten keiner bestimmten Zeit und Schaffensphase zuordnen – ob ein Gemälde von 1988, 1992, aus den 2000er-Jahren oder frisch von heute stammt, das verrät nur die Bildlegende. Man muss das durchaus als echte ästhetische Leistung begreifen, denn für Künstler, und für Maler zumal, ist es eigentlich kaum möglich, sich nicht zumindest unbewusst von Stilfiguren einer jeweiligen Gegenwart beeinflussen zu lassen – am wenigsten noch durch deren Ablehnung oder Affirmation. Doch Piffaretti scheint davon völlig frei zu sein. Und dass der ungegenständliche Duktus seiner Bilder mal an Sigmar Polke, mal an Ellsworth Kelly, dann wieder an Martin Barré, Günther Förg oder Yves Oppenheim erinnern mag, dabei aber stets wie Piffaretti aussieht, ohne über Jahrzehnte hinweg den Stil einer bestimmten Epoche zu verraten – das zeugt insgesamt von schöner Ironie, aber auch von der Kraft, den malerischen Gestus im eigenen künstlerischen Ansatz tatsächlich freizusetzen. 

Das ließe sich auch als eine strategische Banalisierung malerischer „Inhalte“ beschreiben. Davon spricht Piffaretti in Bezug auf seine Methode immanenter Doppelung sogar selbst: „Alle meine Vorwände zu malen werden durch die Verdoppelung banalisiert. Die Idee des Bildes wird ins Gleichgewicht gebracht und bekommt so ihren vollen Wert,“ sagt er.6 Was hier erst widersprüchlich klingt, kann durchaus zusammengedacht werden. Zwar werden Inhalte und Stilformeln so scheinbar beliebig und damit „banal“, und eine künstlerisch lineare Entwicklung ist zugunsten von Ad-hoc-Ideen aufgehoben – doch lassen sich Gestus, Form und Farbe im Zusammenspiel so nur desto freier kombinieren und erforschen. Mit Blick aufs Gesamtwerk gestattet genau dies dann jene umfassende Gleichzeitigkeit der Stile, aus der Piffaretti seit Jahrzehnten schöpft. Und darin ist er radikal, folgende Worte von 1991 dürften bis heute gelten: „Es hätte gar keinen Zweck, einen einzigen Stil zu haben“, sagte er im Gespräch mit Werner Meyer. „Ich benutze alle malerischen Bildsprachen, und das erlaubt mir Brüche auf der Ebene des malerischen Ausdrucks. Ein Bild ist nicht richtiger als ein anderes. Sie sprechen alle von der gleichen Sache. Das Wichtigste ist wirklich die Zeit des Übergangs von einer zur anderen Seite des Bildes. Das materialisiert sich in der zentralen Markierung. Alles was gezeigt wird, funktioniert optisch, die Beziehungen von Formen und Farben etc. Ich male ja nicht mit geschlossenen Augen. Aber die Wahl des ikonografischen Inhalts selbst hat, für sich genommen, keinerlei Bedeutung.“7 Piffarettis Bildprinzip zielt auf eine Zirkelstruktur des Blicks. Es lenkt ihn unmittelbar im Gemälde um auf dieses selbst – Selbstreferenzialität als reine visuelle Gegenwart.

Dazu passt, dass seine Werke keine Titel haben – alle heißen sie Sans titre, Untitled, ohne Titel, je nach Landessprache. Das ist einerseits die Fortschreibung einer Tradition in der ungegenständlichen Malerei und hebt so auf die damit zum Ausdruck gebrachte Nichtreferenzialität der Darstellung ab. Und das können Piffarettis Bilder in gewisser Weise ja auch für sich in Anspruch nehmen. Außerdem dokumentiert solches ausdrückliches Unbenanntsein aber auch die stilistische Gleichwertigkeit und Überzeitlichkeit, in der sich die Werke verstehen.

Das Prinzip der Wiederholung eigener Setzungen birgt aber einen weiteren Aspekt: Piffaretti spielt nicht nur mit den Kategorien „Original“ und „Replik“, sondern rückt auch das Darstellungsverhältnis von Bild und Gegenstand in eine andere Perspektive. Tatsächlich lässt sich, dem Augenschein des Abstrakten entgegen, nicht ohne Weiteres sagen, dass es sich hier tatsächlich um ungegenständliche Malerei handelt. Visuell sicherlich – aber indem Piffaretti als konsequenter Autokopist stets die eigene Bilderfindung zum Folgemotiv erhebt, schleust er auch eine spezielle Art von „Gegenständlichkeit“ in seine – abgesehen davon vielfältig ungegenständliche – Malerei ein. In den Gemälden bilden beide Seiten, mittig abgegrenzt, einander ab, und so lassen sie sich wechselseitig füreinander eben auch als „Bild“ und „Gegenstand“ auffassen. Das Werk, die erste Hälfte jedenfalls, ist so gesehen immer auch Modellfall. Dabei sind es gerade jene feinen malerischen Differenzen zwischen links und rechts, etwa ein anderer Tropfverlauf oder eine leicht abweichende Linienführung etc., die den zeitlich und motivisch nachgeordneten Abbildcharakter unter den Zwillingsbildern markieren. Piffaretti löst dieses Spannungsverhältnis nicht auf, vielmehr ist sein gesamtes Werk davon bestimmt. Sein Verfahren ist auch nur scheinbar tautologisch, A = A, denn das Identische ist darin tief und vielfältig in Differenz verwurzelt, dabei in zeitlichen, stilistischen, handlungsbezogenen und semantischen Differenzen markiert. Der französische Kritiker Jean-Pierre Criqui skizzierte dieses Spannungsgefüge in Piffarettis Ansatz einmal wie folgt: „Durch Malstile, tausenderlei Malstile, ohne Programm außer demjenigen, sich keinem Programm zu verschreiben […], ohne Garantie auf Authentizität oder eine sich einstellende Richtung, praktiziert Piffaretti Bild für Bild jenen konstanten Rückgang auf sich selbst, einmalig dabei in der denkbar fundamentalen Art der Reaktion, einer Taktik extremer Differenzierung.“8

Das Malverfahren Piffarettis ist ausgerichtet auf eine perfektionierte, schnelle Handschriftlichkeit. Geradezu kunstlos – auch das ist Teil der künstlerischen Haltung –, aber treffsicher und zügig im flüssigen Nachschaffen der jeweiligen Bildvorlage. So wirken beide Hälften wie aus einem Guss: handwerkliches Können, unbedingt; jedoch kein Raum für Improvisation und kaum einer für Prozess: Neue Einfälle kommen strikt erst beim nächsten Bild aufs Tapet. Mit seiner oftmals farb- und kontraststarken Malerei à la prima bleibt jede Setzung, jede Spur bildnerischer Genese an der Oberfläche ablesbar. Das gilt für so komplex aufgebaute Gemälde wie Ohne Titel (2004) [Abb. 1] und Ohne Titel (2008) [Abb. 2] ebenso wie für die flächig minutiöse Setzung in Ohne Titel (1990) [Abb. 3]. Und sie wird erst recht zum zentralen ästhetischen Argument in einem Bild wie Ohne Titel (1999) [Abb. 4, rechts]. In ihm ist in geradezu zenhaft-kalligrafischer Schlichtheit beinah nur die reine Repetition von Handlung dokumentiert: Die Flächentextur ist geprägt durch wenige, gleich breite Brushstrokes. Das in bloß einer einzigen Farbe, einem petrolartigen Grün, gemalte Bild wird wie stets durchs deckend aufgetragene, schmale Band in zwei Hälften geteilt. In jeder der Hälften verlaufen mittig zwei dicht aneinander grenzende Pinselspuren: Senkrecht von der unteren Kante aufstrebend, enden sie zweistreifenbreit vorm oberen Bildrand, um einer t-förmig quer darüber liegenden Doppel-Farbbahn Platz zu lassen. Mit dieser formal einfachen und klaren Setzung thematisiert Piffaretti, streng formalisiert, eine Art Basisvokabular dessen, was auch generell die Entscheidungen in seiner Arbeit prägt: Teilung, Setzung, Verhältnis Rand zu Fläche, Farbverlauf, Mono- oder Polychromie und, natürlich, die Wiederholung. All das wird hier gewissermaßen beinahe im Infinitiv vorgeführt. In den links und rechts leicht unterschiedlich verlaufenden Drippings und der variierenden Dichte des Farbauftrags spiegelt sich Wiederholung als Handlungsmoment. Hier liegt einer der Schlüssel zum Verständnis von Piffarettis Arbeit: Es geht nicht bloß darum, ein Bild zu duplizieren, nicht darum, Sichselbstgleichheit zu schaffen. Das zwar auch. Vor allem aber geht es stets darum, ein Bild erneut zu malen. Eine Grundhaltung bei Piffaretti, für die jenes Ohne Titel (1999) wie ein Ausrufezeichen steht.

Angesichts seines Werks könnte man sich regelrecht verlieren in der Vielfalt von Bildideen, und je mehr man sieht, desto mehr beginnt man ihre Unterschiedlichkeit zu lieben, ihre Lust an der Überraschung, manchmal ihre Sprödigkeit, und immer wieder ihre Lakonie. So ist dies hier einerseits streng konzeptuelle Malerei. Doch beim Parcours entlang der stets aufs Neue postulierten Identität abstrakter Bildhandlungen öffnet sich in diesen Bildern auch ein zweiter, ungeahnt weiter Raum für stilistische Vielfalt und Variation. Besonders plastisch kommt das in einigen von Piffarettis Textbildern zum Ausdruck, etwa in Ohne Titel (2008) [Abb. 5] oder Ohne Titel (2003) [Abb. 6]. Auf Letzterem doppelt sich der Schriftzug „ALIAS“, gepunktet dargestellt in Weiß auf grünen Grund. Als Nebeneinander ist das ein schönes Bild für den unendlichen Regress, in den die postulierte Gleichheit führt – als Wiederholung aber zugleich das Exempel für eben jene (Handlungs-)Differenz, die ihr immanent bleibt. Ersteres Bild ist beinahe programmatisch zu nennen: Die zwei gängigen Epochen-Marker „Avant/Post“ tanzen da in schwarz-versalen Lettern von oben ins Bild hinein, das Anfangs-A halb angeschnitten, das T als Schnittstelle der beiden Wörter ist nur einmal dabei. Hier, im linear organisierten Text dieser Besprechung, müsste man es damit eigentlich korrekt als „AVANTSOP“ zitieren, intuitiv lesbar wird das erst auf der Bildfläche – dank kurvig gesetzter Linearität, in der die zwei entgegengesetzten Begriffe aufeinander zuwachsen und dann im T zusammenfließen. Avantgarde und Postmoderne, hier berühren sie einander. Doch zu welchem Schluss? Womöglich erweist sich Piffaretti am Ende also als seltener Vertreter einer ästhetisch konsequenten „Aprèsgarde“?9

 

Jens Asthoff

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1Vorliegender Text ist die unveröffentlichte deutsche Originalfassung von Du jeu dans la double contrainte und Free Play in a Double Bind aus: Bernard Piffaretti 1980–2016, Catalogue raisonnable, Musée d’art moderne et contemporain, Genf, 2016 [ISBN 978-2-940159-82-3], S.179 ff. und S.185 ff. Bernard Piffaretti wird vertreten von den Galerien Klemm’s, Berlin, und Frank Elbaz, Paris.

2Mitte der 1980er-Jahre war ein Geist der Postmoderne vorherrschend, Stichwörter wie das vom „Tod des Autors“ oder das immer wieder (und stets voreilig) proklamierte „Ende der Malerei“ prägten die Debatten. Theoretiker wie Jean-François Lyotard entwarfen Strategien von Affirmation als Widerstand, und das Schlagwort vom „Anything goes“ (nach Paul Feyerabends Against Method, 1975) kursierte. Nicht unwahrscheinlich, dass sich Piffarettis Ansatz entzündet hat an solchen zeittypischen Fragen nach Autorschaft und autonomer Subjektivität, die sich durch die dominierende „Ordnung der Diskurse“ infrage gestellt sah. Piffarettis künstlerische Praxis der Affirmation von für sich genommen ursprungslosen Setzungen und ihren Doubles neutralisiert ja Authentizität und Auktorialität der Malerei – affirmiert sie auf anderer Ebene aber auch, denn das Gespann von „Original“ und „Imitation“ wird hier zu einem Bild, das wie in piktoraler Zellteilung in sich gespalten und gedoppelt ist. Darin ist sein arbiträrer Ursprung aufgehoben, bleibt förmlich in der Schwebe.

3„…eine Chronologie der Gemälde lässt sich nicht mehr herstellen. Alle Bilder sind zwar datiert und inventarisiert, aber vom Optischen ausgehend ist keine Chronologie mehr möglich.“ Bernard Piffaretti im Gespräch mit Werner Meyer, Nizza, 1991, in: bernard piffaretti [Kat.], Nizza 1991, S.21.

4siehe www.bernardpiffaretti.com

5Exemplarisch sind hier einige Arbeiten der Jahre 1982 bis 2016 aufgeführt. Die frühesten, Paradigme (1982) [Abb. 7] und Ohne Titel (1984) [Abb. 8], zählen zur Phase, in der Piffaretti mit dem Stilmittel des bildnerischen Doubles zu experimentieren beginnt – und dies in den folgenden Jahren facettenreich durchformuliert. Ohne Titel (2014) [Abb. 18] übrigens ist ein Beispiel für eines der seltenen Werke, die Piffaretti auch als unvollendete, als „inachèves“, gelten lässt. 

6in: bernard piffaretti [Kat.], a.a.O., S.20.

7ebd.

8Jean-Pierre Criqui, Die Modalitäten, in: [Kat.], Galerie Jean Fournier, Paris, 1990, zit. n: bernard piffaretti [Kat.], a.a.O., S.83.

9David Foster Wallace, Unendlicher Spaß, 2011, S.93 und S.1414, passim.