10. Juni 2018

Entwurf einer architektonischen Gebäudelehre

 

„Herausragende Referenzen, [...] mit Ansichten, Schnitten und Grundrissen illustriert, die für optimale Vergleichbarkeit neu gezeichnet wurden.“ So heißt es im Begleittext und das ist in der Tat die Stärke des Buchs, einem großformatigen, schweren Atlas über Typologien. Unterteilt in sinnhafte Kategorien und versehen mit einem ausführlichen Textkorpus versammelt Andreas Lechner ein Kompendium von originell ausgewählten Gebäudebeispielen.

Obwohl der Text bisweilen recht abstrakt und etwas gestelzt wirkt, ohne eine klare programmatische Haltung vorzutragen, sind die Zeichnungen dagegen von außerordentlicher Qualität. Klar und reduziert, dennoch detailreich lassen sie jene optimale Vergleichsmöglichkeit zu, die die Beschäftigung mit Typologien ja in der Regel auszeichnet. Sie übernehmen die Hauptrolle im Buch, argumentieren ausschließlich visuell und sind von einer fast poetischen Offenheit und Deckellosigkeit. Ihnen zugestellt sind kurze Projekttexte, auf die man durchaus hätte verzichten können, sind doch die meisten direkte Zitate von den Websites und Projektdatenblättern ihrer Erbauer, somit in jenen Fällen quasi unkuratierte Werbeaussagen der Produzenten selbst und mithin schlichtweg unkritisch, aber auch sie stören die Schönheit der Schnitte, Ansichten und Grundrisse der gewählten Architekturen keinesfalls. An ihnen und ihrer Reihenfolge im Verhältnis zu den Schwesterprojekten, in ihrer typologischen Kategorisierung und Zuordnung, steckt die Essenz des Bands, der 2017 im bekannt hochwertig gestaltenden Park Books Verlag erschienen ist.

Andreas Lechners Text selbst operiert mit einem groß angelegten Literaturverzeichnis, das eine schöne Quellenauswahl repräsentiert, die über den Tellerrand blickt. Er versucht, die Gebäudelehre in ihren kritischen Inhalten lehrplanmäßig zu verorten, doch ist dies insgesamt ein eher eigenständiges theoretisches Thema, dem die Deutungshoheit nicht erst seit Durand in verschiedene Schulen entglitten ist, sodass auch hier eher einer Einzelstimme Raum gegeben wird, fast unabhängig von ihrer Bebilderung. Die visuelle Argumentation des Buchs stellt das textliche Begleitschwimmen in den Schatten, derart, dass das Buch allein wegen ihr zu empfehlen sei. Darstellende Zeichenkunst auf Höhe der Zeit, mit erstaunlich vielen Einträgen jenseits des 20. Jahrhunderts, aus der gegenwärtigen baulichen Welt, bei gleichzeitiger Auswahl bisher ungesehener Schnitte und Ansichten von bereits oft zitierten Ikonen. Ein teilweise gänzlich neuer Blick auf einen immens wichtigen Architekturkomplex.

 

Jonis Hartmann

 

Andreas Lechner: Entwurf einer architektonischen Gebäudelehre, Park Books, Augsburg 2017

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