28. Januar 2018

Romeo oder Julia

 

En passant hat Gerhard Falkner nach Apollokalypse schon den nächsten Roman rausgehauen. So liest er sich jedenfalls. Flott, aber oberflächlich. Wenig deutet darauf hin, dass dort Mühe oder gar Respekt für die „Arbeit am Roman“ geleistet worden ist. Die Story ist beiläufig und gegen Ende ein pathetischer Kurzschluss. Bei Letzerem scheint allerdings beinahe durch, dass hier vielleicht sogar eine Persiflage vorliegt, (o. k., Mystery, die Fäden müssen mindestens dem Anschein nach vernäht sein. Let’s go).

Die Liebschaften eines recht widerlichen Protagonisten (ein Autor) holen ihn ein, stalken ihn auf Kaidan- und Gogol-Weise, bis sich ein dunkles Picasso-Tableau erfüllt und der Erzähler, jener Autor, nur knapp einem Mordanschlag entgeht. Spannend ist das nicht. Scheinbar geht es Falkner auch mehr darum, seinen Autoren Kurt Prinzenhorn, der nichts tut, außer essen zu gehen, sich einladen zu lassen, zweifelhafte Kongresse zu besuchen und über Klamotten- und Taschenmarken sowie gemeinplatziges Popkulturwissen Auskunft zu geben, dessen eigene bourgeoise Elitestellung konstituieren zu lassen. Unter dem Deckmantel, ein Repräsentant von Kultur zu sein, gleitet Kurt Prinzenhorn von Getränk zu Getränk, schwadronierend über den sogenannten Literaturbetrieb und getrieben von seinem Frauenkompass. Was die LeserInnen mit den durchkonstruierten Machodialogen und Arroganzen von Prinzenhorn anfangen sollen, weiß wohl nur Falkner selbst. Prinzenhorn ist unzeitgemäß und öde. Wer notwendigerweise solch eitles Geplapper eines übergriffigen Nestbeschmutzers, der einem keine Sekunde lang leidtut und dem man wünscht, seine Julia wäre nicht bloß Papieraktionismus, sondern eine wenigstens ansatzweise erfolgreiche Assassinin, als stilistisch-reflektierende Komposition in Romankunst lesen will, greife lieber zu Kracht oder Easton Ellis – um old school zu bemühen –, denn in Romeo oder Julia ist der Erzählton komplett verunglückt. Das bloße Erwähnen von Weinsorten macht noch keine Stimmung, das Dropping von Namen aus Szene und Verwandtschaft erschafft noch keinen Mehrwert, außer Klischees in einem Einrichtungshaus, geschweige denn eine Steigerung der Kritizität. Es missachtet das Originärprinzip von guten Romanen, die ihren Kosmos ohne Hilfe von „Sternereferenzen“ aufzubauen imstande sind. Bei Romeo oder Julia befinden wir uns lediglich in einem semi-journalistischen Anreißen und Kommentieren, im Endeffekt Seitenfüllen.

Einzig die Schnelligkeit des Schnitts, das Nicht-Aufhalten an Situationen, macht die gute Lesbarkeit des Romans aus. Zudem wäre Falkner nicht Falkner, wenn er nicht durchgehend einige sehr schöne Formulierungen und Vergleiche einbauen würde. Hier scheint der große Lyriker und eloquente Kritiker durch, und es sind oft die unbedrängten Beschreibungen von Räumen, Landschaften oder Tieren und Vegetation, die Qualität aufweisen. Auch stimmt der Sprachrhythmus. Das gilt zudem für die Schachtelung der Bilder und der Intertexte von Gogol und Co. Dennoch, bleiben wir ehrlich, Falkner kann mehr. Viel mehr – siehe Bekennerschreiben. Hoffentlich hat der „Markt“ das auch verstanden und lässt mehr Zeit für Qualität, textsortenadäquat.

 

Jonis Hartmann

 

Gerhard Falkner: Romeo oder Julia, ISBN 978-3-8270-1358-3, Berlin Verlag 2017

 

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