13. Dezember 2017

Selbst in hoher Auflösung

 

Der neue Gedichtband von Ulrich Koch erscheint als Hardcover bei Jung und Jung in Salzburg. Er liest sich rasant. Als ob die Auflösung in Höchstgeschwindigkeit vor sich ginge. Auf über 150 Seiten reihen sich Gedichte aneinander, die weniger Sprache zersetzen oder angreifen, als vielmehr die aufgerufenen Bilder selbst dies übernehmen. Dörflich-Ländliches im Bus oder vom Beifahrersitz aus gesehen und schon vorbei. Ein Abdrücken und Bilanzziehen, jedes Gedicht könnte das letzte sein. So wirkt es. Dabei merkt man Kochs existenziellen Wortstrichen ihr Drängen an. Sie stehen da, sie sind so, zusammengehalten von verblüffenden, cleveren wie zugleich bitteren Sprachbildern, die beredt und ziemlich treffend den jeweiligen Moment auf den Punkt bringen. Tatsächlich eine fotoartige Technik. Der Band, auf dem Umschlag von einem Foto aus dem fahrenden Auto gerahmt, Blick verwischt auf so etwas wie Meer, zieht davon. Er wirkt in seiner Gesamtheit. Nicht das einzelne Gedicht ragt heraus, sondern es ist der Strom aus den vielen Schnappschüssen der Koch’schen Wortkamera. Das Angenehme ist, dass Ulrich Koch seine Gedichte wie auch ihre Abfolge in Stimmungswechseln komponiert. Kein Schwadronieren, keine Bar-scheiß-Leben-Rhetorik, sondern ein behutsames Laufenlassen, wo es muss. Die Sehnsucht ist noch da. Stille ist ein Thema, das Meer, Tiere, Lieben oder die Zimmerpflanze, duftend, mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert. Koch lässt offenen Raum zu, der Deckel bleibt in Sichtweite, wird aber nie übergestülpt. Sein Selbst in hoher Auflösung ist die eloquente Fortsetzung eines dichterischen Werkkorpus, der in der zeitgemäßen Lyrik seine Ausnahmestellung verteidigt. Kochs Stimme gehört den besonderen an.

 

Jonis Hartmann

 

Ulrich Koch: Selbst in hoher Auflösung, Jung und Jung 2017, ISBN 978-3-99027-098-1

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