30. August 2017

Selbst beauftragen, selber bauen, selber betreiben

 

Als Assemble, das 18-köpfige Architekten-Künstler-Soziologen-etc.-Kollektiv, 2015 den Turner Preis bekam, war mit einem Mal alles anders. Kein glänzender Boomartist oder großer quasi konzernartig operierender Design-Sweatshop à la OMA, SOM etc., sondern ein gerade einmal fünf Jahre altes Uni-Absolvententeam, das sich seine Naivität zu einem Operatoren hat umwerten können, der mit Sicherheit einen der folgenreichsten Durchbrüche der seit den 70ern als gescheitert angesehenen Bewegung der Partizipation innerhalb aller Professionen darstellt. Assembles Bauten sind in Eigenregie mit Freiwilligen und Handwerksfernen entstanden, einzig aus dem Bedürfnis heraus, es allen zu zeigen, die meinen, heute „ginge die Welt nur so oder so und nicht anders“. Assemble hat all jene eines Besseren belehrt, hat interessante Architektur geschaffen, temporär bis dauerhaft, hat Netzwerke gegründet, Gründungsimpulse gesetzt und vor allem: soziale Bewegungen und Mobilisierungen hervorgerufen, die sich mittlerweile selbst tragen. Sie haben einer „feindlichen“ Stadtplanung und Politik ein „Uns egal, wir machen es selbst“ entgegengestellt, ohne sich in Demonstrationen und Besetzungen zu ergehen, sondern stattdessen mit gebauten Tatsachen zu argumentieren. Nun gewinnen sie diesen Preis und sind quasi eingeholt von der professionellen Realität, oder aber sie haben ebenjene abgehängt und man wird in Zukunft keine Old-School-Architekten, -Designer, -Planer, -Fertigteilindustrielle etc. mehr wollen, sondern nur noch frische, junge Kollektive wie Assemble, die die Welt in ihren Grundfesten erschüttern und in einfachster und wirkungsvollster Art und Weise neu (aus größtenteils vorgefundenem Müll und Schutt) errichten.

Das Wiener Architekturzentrum hat eine Ausstellung als Dokumentation des bisherigen Werks von Assemble im Frühjahr dieses Jahres kuratiert und Direktorin Angelika Fitz einen Katalog dazu herausgegeben. Dessen wesentliche Leistung ist es, das Werk und vor allem den ideellen Ansatz von Assemble präzise und knapp auf den Punkt zu bringen. Zehn herausragende Projekte werden in kluger Bilddramaturgie vorgestellt und die Umstände der Entstehung, die eben alle andere als konventionell sind, in bewusst zurückgenommen Stil analysiert. Der Funke von Assembles vorbildlichem wie auch einzigartig einfachem und zugleich kritischem Ansatz macht den Katalog zu einer Art Manual besonders für Nicht-Architekturcracks (die sich deutlich etwas von der vorgestellten alternativen Philosophie abschneiden sollten), sondern vor allem für Architekturlaien und Stadtplanungsskeptikern, die jenseits von allen bekannten partizipatorischen Wohnprojekten oder Gemeinschaftsgärten hier auf Inspirationen und Techniken und Strategien stoßen können – anders als bei Pattern Language oder dergleichen anderen Manifesten werden keine Lehren dargeboten oder Weisheiten gepriesen, sondern vielmehr das abstrakte Moment dahinter durch Beispiele erläutert. Das macht den Katalog zu einer essenziellen und einladenden Publikation. Die beiden letzten Abschnitte, kurze Reisen zu Assembles Lehrveranstaltungsreihe an der TU Wien, fallen etwas ab vom grandiosen Hauptprogramm des Buchs, sie sind lediglich Appendizes, aber sie stören die eigentlichen Aussagen nicht und es ist eigentlich nur sympathisch und symptomatisch für Assembles Ansatz, auch schwächere Erfahrungen/Teile als Experiment mit einzubeziehen und somit die menschliche Seite ihrer Philosophie weiter zu stützen. Das Buch sei allen räumlich sich Beschäftigenden empfohlen.

 

Jonis Hartmann

 

Angelika Fitz [Hg.]: Assemble. Wie wir bauen. 978-3038600770. Park Books. Zürich 2017

 

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