27. Januar 2004

Assoziationsamok

Neunundfünfzig phylogenetische Scherze von Alexander Kluge mit kleinem Pathos und lieblichem Assoziationsamok.

Alle Texte sind Gott sei Dank nur möglich durch das Sprechvermögen, was nebenbei entwicklungsgeschichtlich jünger ist als die Fähigkeit, haltlos zu kichern.

Das antagonistische, ordentliche Zusammenwirken von Zwerchfell und Bauchdeckenmuskulatur ist überhaupt eine recht hochgestochene Art der Äußerung, also Oper sprich Gesang. "Ihr fiel auf, dass er für gewöhnlich log, wenn er keinen anderen Weg sah, sie zum Schweigen zu bringen." Aber das soll alles so sein, oder vielmehr, man muss das verdrossen zur Kenntnis nehmen. Und Christian Morgenstern hat diese Entwicklung ganz ähnlich beschrieben. "Des Menschen erstes Wort war A und hieß fast alles, was er sah, z. B. Fisch, z. B. Brot, z. B. Leben oder Tod. Erst nach Jahrhunderten voll Schnee erfand der Mensch zum A das B..." Bald nach dem erworbenen Vermögen, Fisch und Brot unterschiedlich zu bezeichnen, bricht dann nämlich leider auch die Kulturindustrie los mitsamt ihrem notwendig falschen Bewusstsein. Und das Unterscheidungsvermögen kommt herab zu einer Technik der Distanz.

Anstatt mit freundlichem Misstrauen gegen die Wirklichkeit, magische Qualitäten aufzuspüren, unter denen Kluge Schätze und Träume vermutet und schon einmal "großflächige Gefühle" ankündigt, also nur die, wie behalte ich mein Rederecht Einsamkeit. Gott sei Dank gibt es da die "überholende Kausalität", die ein Recht durchsetzt, ohne sich um lang und breit abgewetzte Schlussfolgerungen zu kümmern. So kommt man mit Alexander Kluge vom Scheuern ins Rutschen.

Das geht also Folgendermaßen: Sprich, oder ich knall dich ab, und dann spricht nichts und dann wundert sich das Gehirnchen. Die Hirnzellen wundern sich darüber aber nicht, sie haben Recht von Alters her, weil sie immer noch die Temperatur der Urmeere haben (37 Grad). Und kurzfristige Hitzewellen der Faktengier mit Gleichmut quittieren. Der Wille wandert ab, die Menschen sind verwirrt, spielen Erwachsene und kochen sich erst einmal sehr vernünftig einen Tee, um dann erneut zu versuchen, ihre Gefühle zu handhaben wie den Abwasch (auch 37 Grad ?), der schließlich auch erledigt sein will. Und das wird nichts! Und man muss sehr tapfer sein! Und das kleine Buch von Alexander Kluge kann man gut dazu gebrauchen, den Abwasch zu erledigen, ohne das Spülwasser zu trinken.

 

Nora Sdun

 

Alexander Kluge: Die Kunst Unterschiede zu machen, 110 Seiten, Suhrkamp 2003