24. Februar 2017

Folkdays aren't over ... Bob Dylan

 

Früher Protestsongs und Folkbewegung, heute Literaturnobelpreis

 

"... I ain't lookin' to block you up

Shock or knock or lock you up

Analyze you, categorize you

Finalize you or advertise you ..."

 

aus "All I Really Want To Do"

von "Another Side Of Bob Dylan" (1964)

 

Der Verleihung des Literaturnobelpreises am 10.12.16 blieb Bob Dylan fern und gab eine Nobel Banquet Speech weiter, in der Dinge stehen wie:

"... Being awarded the Nobel Prize for Literature is something I never could have imagined or seen coming ... I was out on the road when I received this surprising news, and it took me more than a few minutes to properly process it ... As a performer I've played for 50,000 people and I've played for 50 people and I can tell you that it is harder to play for 50 people. 50,000 people have a singular persona, not so with 50. Each person has an individual, separate identity, a world unto themselves ..."

Patti Smith allerdings reiste zur Nobelpreisfeier als Gast an und stand mit einem Dylansong auf der Bühne.

Am 14.10.16 war bekannt gegeben worden, dass Dylan den Preis erhält, und ich vermerkte darüber: Wie lange währt Bob Dylans Never Ending Tour schon? Jedenfalls erhält er nun den Literaturnobelpreis. Der Singer-Songwriter, der auch Schriftsteller und Schauspieler ist, seine Werke als Maler und Filmemacher zeigt und als Radio-DJ Songs vorstellt. Seine realistischen und fantastischen Geschichten und Sichtweisen bekommen seit Jahren eine etablierte Auszeichnung nach der anderen. 

Bob Dylan wurde 1941 als Robert Allen Zimmerman geboren und begann 1961 in Greenwich Village in New York in der Zeit der Beatniks als kleiner Folky mit teilweise einfachen Coverversionen von Songs von Vorbildern wie Woody Guthrie. Er fing an als Protestsänger und stilisierte sich zum Propheten, mal mit Folk, mal mit Blues, mal mit Rock. Immer mit hochkarätigen Lyrics, die ihm, einst Undergroundpoet, nun also den Literaturnobelpreis einbrachten. Eine Auszeichnung, die eine noble Akademie mit einer Stockholmer Jury vergibt. Realismus, Surrealismus und Visionen in Folksongtexten, das kann literarische Qualität sein. Lyrics können das Niveau von Lyrik und Prosa haben. Ein Songwriter kann ein Poet sein. Nachlesbar und zu hören in Bob Dylans umfangreichem Œuvre. Das wussten anfangs nur wir Insider und nun wird das fast allen mitgeteilt. Nicht deutsche Schmierenstücke interessieren, sondern internationales literarisches Niveau, das nicht zuletzt amerikanische Kunst und Kultur mit definiert.

Bob Dylans Rückgriff auf die Epoche des Great American Songbook: "Fallen Angels"

Bob Dylans aktuelles Album "Fallen Angels" ist eine Selection Songs der 1940er und 1950er Jahre, die auch Frank Sinatra im Repertoire hatte, und außerdem eine Ausnahmeergänzung "Skylark". Dylan bietet exquisite Coverversionen mit angeswingten, genauso schönen wie leicht schrägen Balladen statt Eigenkompositionen und Lyrics des Individualisten, der er ist. Und das alles mit ziemlich hochmütiger Lakonie und Extravaganz transformiert in seine Welt des Folk, Country, Rock und Bluegrass. Dass es da manchmal nicht nur elitäre Kollaborationen und edle Romanzen gab, sondern dass auch die eine oder andere miserable Farce und infame Tragödie inszeniert wurde, passt nun alles als Literatur in den Kontext des Literaturnobelpreises. Samt seiner eigenen Höhen und Tiefen, seiner genialen Erfolge und seiner künstlerischen und persönlichen Sinn- und Lebenskrisen. Eingespielt wurde das hochfeine Album wieder in den Capitol Studios in Hollywood mit bekannter Tourband nebst Bläserensemble. Sein 86-jähriger Toningenieur hatte einst u.a. mit Sammy Davis Jr. zusammengearbeitet. Fragt sich, warum der 75-jährige Dylan, begnadet außergewöhnlicher Songwriter, der er ist, derzeit nicht seinen eigenen klassischen, spröden Folk und Blues schreibt und spielt oder in der trotzigen Rockmusik ist, sondern sich davon entfernt und sich mit Crooner-Ästhetik abgibt!? Cooler Entertainer sein statt nölender Weltverbesserer, zynisches Seelenschmerzsensibelchen und intellektueller Musikpoet vermutlich.

"Shadows In The Night": seine Hoheit mit gelassener und selbstsicherer Lebens- und Musikererfahrung 

Schon 2015 gab sich Dylan mit "Shadows In The Night" als eine Art Crooner mit Balladen und Nähe zum Musical. Die Stücke sind Neuinterpretationen von Frank-Sinatra-Klassikern.

Dylan, selbst längst eine Ikone, scharte für diese CD live im Aufnahmestudio mit seinen langjährigen Bandmitgliedern Tony Garnier (Bass), Stu Kimball und Charlie Sexton (Gitarre), Donnie Herron (Pedal-Steel-Gitarre) und George G. Receli (Perkussion) und einer Bläsersektion insgesamt gut ein Dutzend Mitmusiker um sich. Der Singer-Songwriter klingt authentisch und existenzialistisch, auch wenn er sich mit Adaptionen abgibt. Swinging Dylan nuschelt mit altersrauer Stimme aber vielleicht viel zu schaurig-schön, um wahr zu sein. Der Literaturnobelpreis für sein Werk als Writer und Singer-Songwriter, der im Folk, Blues und Rock zu Hause ist, wurde aber gerade wahr.

Bob Dylans umfangreiches Werk umfasst als Platten in nackten Fakten genannt 38 Studioalben, 11 Livealben, 36 Compilations, 85 Singles und diverse Colaborations. Für März 2017 ist die Veröffentlichung "Triplicate" angkündigt als "Collection To Feature 30 Brand New Recordings Of Classic American Songs" und als sein erstes "Three-Disc Album". Jack Frost produzierte und die 3 Scheiben sind betitelt mit "‘Til The Sun Goes Down, "Devil Dolls" and "Comin’ Home Late".

Dylan-Songtexte wurden als Buch herausgegeben: Lyrics - Sämtliche Songtexte 1962–2012, (Hoffmann und Campe, 2016). Seine Autobiografie ist veröffentlicht als: Chronicles: Vol. 1 (Hoffmann und Campe, 2004)

Der Songwriter und Literaturnobelpreisträger ist auch 2017 on the road und hat Tourdaten in Deutschland angesagt:

11.04.17  Hamburg Barclaycard Arena

12.04.17  Lingen Emslandhallen

13.04.17  Düsseldorf Mitsubishi Electric Halle

25.04.17  Frankfurt Festhalle

26.04.17  Hannover Swiss Life Hall

 

© Tina Karolina Stauner, 2017