10. Juli 2016

Nachschlagewerk

 

Nach dem vergriffenen Katalog der "a_schau" im Architekturzentrum Wien über die österreichische Architektur im 20./ 21. Jahrhundert muss nicht länger gesucht werden. Park Books hat ihn nicht nur neu herausgegeben, sondern auch um bedeutende Teile erweitert, aktualisiert und über die bloße Listung der Exponate der Ausstellung hinaus zu einem für sich allein stehenden Kompendium gemacht. Die Herausgeber selbst bezeichnen es als "Standardwerk", und das ist angesichts der Fülle an Projekten auch die richtige Kategorie. Als eine gute Entscheidung hat sich zudem erwiesen, den roten Faden der Projektpräsentation nicht allein zugunsten einer monotonen Zeitleiste zu spinnen, deren Anmutung sicher dröge bis stumpf dahergekommen wäre, sondern anhand von elf intelligent gewählten Kategorien: Prolog, Totes Wien, Landschaft, Macht, Wiederaufbau, International, System, Utopie, Collage, Gegenwart, Wohnen. Sie lassen ein wiederholtes, frei kombinierbares Lesen zu und schaffen gleichzeitig ein einfaches, aber wirkungsvolles Konzept des Einordnens, Vergleichens der Beiträge in Strömungen – als Antwort oder Negation, als Singularitäten, als Fortschreibung oder innovativer Eroberung neuen architektonischen Terrains.

Nach einer kategorischen Übersichts-Timeline, die alle vorgestellten Projekte in visuelle Relation zu weltarchitektonischen Ereignissen setzt, lobenswert und doch aufgrund ihrer maßstabsprengenden Größe nur unangemessen präsentabel im seitenbeschnittenen Buchformat, folgt die eingehende kategoriale Aufarbeitung der Projekte mittels leicht und unaufdringlich layouteten Foto-/Textseiten. Auf knappem Raum wird jedes Projekt beschrieben und mit zwei bis drei Abbildungen umrissen. Da es sich bei dem Buch um ein Kompendium handelt, sprich kein Projekt per se wichtiger als das andere ist und daher eine visuelle Gleichbehandlung zur Anwendung kommt, werden für viele komplex-räumliche Architekturen nur ihre allernötigsten Informationen gereicht. Das hat zur Folge, dass weniger die Morphologien entsprechend vielschichtig vermittelt werden können, sondern das Faktum ihrer bloßen Existenz im Vordergrund steht.

Der Leser wird zu diesem Buch aufgrund seiner praktischen Übersichtlich- und Vergleichbarkeit greifen, nicht aber wegen der Vertiefung eines Einzelprojekts. Es fehlt an dieser Stelle tatsächlich an einer direkt anschließenden weiterführenden Bibliografie. Im digitalen Zeitalter ist dies allerdings ein Rechercheaufwand von zwei Clicks, insofern keine unverzichtbare Essenz. Eine zur Hand gestellte Mediengeschichte über wichtige architekturhistorische Publikationen sowie Kurzbiografien aller ArchitektInnnen nebst Personenverzeichnis runden das bis auf kleine Mängel phänomenale Nachschlagewerk ab. Eine absolute Empfehlung für jeden an der dichten, abwechslungsreichen und stets fortschrittlichen österreichischen Architektur Interessierten.

 

Jonis Hartmann

 

Architektur in Österreich im 20. und 21. Jahrhundert

Herausgegeben von Architekturzentrum Wien Az W. 440 Seiten. Park Books. Zürich 2016. ISBN-978-3038600107

 

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