14. Januar 2004

Themen mit Variationen

 

Wann hat das eigentlich angefangen mit der organisierten Literatur? Mal abgesehen von den Verbänden verstanden auch als finanzielles Sicherungsnetz. In Deutschland? Gruppe 47, nach ungefähr einem Vierteljahrhundert aufgelöst. Im 19. Jahrhundert das Junge Deutschland mit u.a. Karl Gutzkow und am Rand Heinrich Heine, Büchner, hätte er länger gelebt, wäre vielleicht mit von der Partie gewesen. Wie sieht es aber mit Sturm und Drang aus? Widerspricht das Geniekonzept nicht der Vorstellung des Organisierten? In Frankreich? Die Surrealisten mit ihren Manifesten. Da scheint es einen Zusammenhang zu geben zwischen Programmatik und Gruppe. Überhaupt das offensichtlich Politische bei diesen Beispielen. Der eingeklagte Forschritt oder gleich die Revolution ist immer dabei.

Vor ein paar Jahren dann die Entstehung regionaler Zentren, in Hamburg zum Beispiel der Machtclub als eingetragener Verein. Politisch? Literatur soll vor allem Spaß machen. Und dieser Spaß kann tatsächlich gemacht werden, wie man sich einmal im Monat überzeugen kann. Etwa zur gleichen Zeit entstand im Netz ampool, zwei Handvoll Autoren, die sich über Privates und Öffentliches bis Politisches das Herz ausschütten und Direktiven erteilen, was besser zu unterlassen ist, nämlich gleich über alles reden müssen, was gerade Schlimmes passiert ist, wozu vielleicht sogar Harald Schmidt den Anstoß geliefert hat nach dem 11. September: zwei Wochen Sendepause.

Das pool-Buch funktioniert nach dem gleichen Prinzip, auf knapp 400 Seiten (einschließlich Fotos, Zeichnungen u.a.) werden Erfahrungsberichte zu verschiedenen Themen geliefert (die man schnell vergisst), ohne dass die Texte direkt aufeinander Bezug nehmen (manche sind anscheinend unter Kenntnis anderer verfasst – aber man ist ja eben am Pool), im Zentrum steht überall der Alltag, dem eine meist zwei- bis dreiseitige Aufmerksamkeit gegönnt wird, es ist ein bisschen wie Zappen zwischen Kanälen mit ähnlichen thematischen Angeboten, ein Kanal verbraucht den anderen, man frisst sich gegenseitig auf, der Leser wird nicht wirklich satt, er liegt selber in seinem eigenen Pool der Unaufmerksamkeit, und lässt halt so alles Mögliche an sich vorbeirauschen, je nach Blätterkapazität der noch irgendwo freien Hand, die dann aber auch zu müde wird. Ein paar ganz schöne Texte von Tom Kummer zum Beispiel, aber insgesamt ist dieses Kartell doch eine sehr windige Angelegenheit, Literatur auf Durchzug. Im Grunde stört also nur das Medium, das Buch, das diesen Miniaturen eine bleibende Stätte gönnt, die sie nicht brauchen. Im Netz wär’s völlig in Ordnung, man denke auch an Rainald Goetz’ „Abfall für alle“, der dann auch zu einem materiellen Wälzer wurde.

Aber trotzdem nur nicht zu viel aufregen über Pool, ist ja niemand gezwungen, das zu lesen, und vielleicht ist man wirklich mal am Strand und hätte gerne was dabei, um nur irgendwas in der Hand zu haben, da man es nicht wagt, den Rechner den Sandwüsten auszusetzen. Außerdem sieht das Buch wirklich schön aus, ganz weiß und unschuldig, senkrecht der Titel, von unten nach oben, das kann sich sehen lassen.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Sven Lager, Elke Naters (Hg.), the Buch. leben am pool, Köln 2001</typohead>