4. Januar 2004

Imitation of what?

 

Und warum wissen die jungen Leute es nicht? Weil sie dumm sind und nichts wissen. Und wenn sie wissen, dass sie nichts wissen, dürfen sie sich Plato nennen (und nicht Sokrates, denn dann wüssten sie dies immerhin), oder sich bitter bei ihrem Papi beklagen, der ihnen doch bitteschön mal den Marsch blasen soll.

Das Problem mit der Jugend ist eben, dass man es ihr Recht machen soll. Von ihr, der Jugend aus, ist nichts zu erwarten. Sie erwartet das Gesetz, sie betet es an. Wenn das Gesetz dann schweigt, weil der Herr Vater zu schwach ist, es zu repräsentieren, ist die Hölle los und es geschehen Dinge, für die das Gesetz immer zu spät kommt. Dann rasen gestohlene Autos mit ehrpflichtigen jungen Männern besetzt auf Meeresklippen zu, die jene mitsamt Inhalt nur zu gerne verschlingen. Junge Quasi-Witwen müssen dann ganz schnell von jemand anderem getröstet werden. Jim Stark (James Dean) macht das ganz gut, nachdem er seine Ehre gerettet hat, nicht als Hahnenfuß gilt, und an die Stelle seines Herausforderers Buzz treten darf, den es mit dem Auto tragisch erwischt hat.

Judy ist aber auch ein nettes Mädchen, wenn sie nicht schon so aussehen würde wie ihre eigene Mutter. Aber das ist ja nur ein weiterer Beweis dafür, dass es die Jugend gar nicht gibt, die nur an ihre eigene Abschaffung denkt. Zentrales Beispiel dieses Films, Plato, der alleinstehende junge Mann, der Jim sofort für seine Unabhängigkeit (ha) und Aufrichtigkeit (Papa, sag, was ich tun soll) verehrt und genauso sein will wie sein Vorbild. Vor lauter Rührung schläft der junge Mann zu Füßen seines Gottes und dessen Gattin ein und erleidet einen nicht vorhersehbaren Trennungsschmerz, als sich das frisch verliebte Paar etwas zurückzieht in die verschlungenen Kemenaten des Zauberschlosses, und die traumatische Verlassenheit Platos sich auswächst zum Zwang, den amerikanischen Revolverhelden zu imitieren. Aus dieser Abdankung erwächst Jim die Gnade, selber Papi zu werden und gleich noch in traumwandlerischer Sicherheit den Wunschberuf des Psychiaters auszuüben. Hier könnte die fürsorgliche Polizei noch einiges lernen, wenn sie nicht selbst schon so erschreckend empathisch wäre und einen Orden verdienen müsste für kommunikatives Handeln avant la lettre (und lange bevor diese 10-Liter-Bottiche auch in old-europe start-up-tauglich wurden).

Bei so viel Erwachsenheit – mit zugegeben ein paar jugendehrehaften Wirrköpfen, darunter der allerdings sehr gesprächsarme Dennis Hopper, denen die Aufgabe zukommt, den Mythos Jugend irgendwie am Leben zu halten, gegen den doch sonst alles spricht – kann es nur ein ganz blöder Zufall sein, dass es am Ende doch noch Opfer zu beklagen gibt (Plato), wo sich doch alle Parteien so wunderbar konzertant verhalten haben wie die schönen Scheinwerfer im Planetarium und die der Autos bei dem legendären Rennen, und man zu dem Ergebnis kommen muss, dass im Moment der Entscheidung etwas ganz Blödes im Wege steht – eine Verhakung, ein blitzender, obwohl leerer Revolver – und Sachen entstehen lässt, an die keine Vernunft gedacht hat. Seltsam, dass dieser Film mal Kult war.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Nicholas Ray, … denn sie wissen nicht, was sie tun (Rebel without a cause), USA 1955</typohead>