3. Januar 2004

Bitte nicht nach Ihnen!

 

Der Autor geht, wie schon u.a. Daniel Bell, von drei „axialen Prinzipien“ der (post)modernen Welt aus: Politik, Wirtschaft und Kultur. Da die Politik sich immer mehr aus dem öffentlichen Bereich zurückziehe (Stichwort Privatisierung) und der kulturellen Vielfalt ein immer stärkerer kommerzieller Ausverkauf drohe, werde die Wirtschaft mehr und mehr zur hegemonialen Kraft heutiger Mediengesellschaften. Der elektronische Imperativ von heute heißt, dass nur noch das existiere, was in Netzwerken zur Verfügung stehe. Rifkin geht davon aus, dass Handel und Marktphänomene jedoch nur abgeleitete Funktionen seien, die eine ganze Kultur in Form von Vertrauen, Gemeinschaftsgefühl und Empathie zur Voraussetzung haben. Drohe dieses „kulturelle Kapital“ zu schwinden, würde sich der nunmehr „kulturelle Kapitalismus“ selbst ein Bein stellen, indem er die zu Grunde liegenden oder auch frei schwebenden vertrauensbildenden Maßnahmen, das kulturelle Unbewusste, abschaffe. Die Ökonomie würde dann ein Opfer des vierten Sektors, der Kriminalität usw. (Beispiel Russland). Neben McDonald’s muss also noch Platz genug sein für die Nouvelle Cuisine, die traditionale Musik dürfe sich nicht ganz von der Weltmusik verschlingen lassen. So haben sich schon Bauernverbände erfolgreich gegen die perfide, durch Gentechnik möglich gemachte „Terminatortechnologie“ gewandt, die ein Konzern einsetzte, um im Agrarbereich abzuzocken, und das einfach dadurch, dass dieser Konzern das Patent an dieser speziellen Gentechnik an Saatgut besaß.

Das aber ist die Tendenz: Immer weniger transnationale Konzerne sind die Hüter des Zugangs einer Welt, die eine durch und durch kommerzialisierte ist und deren Format von eben den Pförtnern bestimmt wird, die die Zugangsmodalitäten regeln. Dagegen, so Rifkin, helfe nur das, was die Welt im Innersten zusammenhält: die Kultur. Damit meint er weniger die Unterscheidung zwischen low und high culture als einfach die Vielfalt der regionalen Kulturproduktionen bis zu uns heute. Gewissermaßen ein sanfter Fundamentalismus.

Aber wo Rettung ist, wächst auch Gefahr: „Erhalt und Wiederherstellung lokaler Kultur muss nicht notwendig zur Belebung kultureller Vielfalt führen, sie kann genauso gut in einem neuen und virulenten Fundamentalismus enden. Weltweit entstehen heute politische und religiöse fundamentalistische Bewegungen. (...) ,Lebensraum’ war und ist ihr Kampfbegriff.“ Die Katastrophe des 11. September 2001 hat gezeigt, dass „Access“, also Zugang, auch ein anderer Name dafür sein kann, dass das weltweit führende System der Vernetzung leicht mit seinen eigenen Waffen zu schlagen ist. Und dafür braucht es noch nicht einmal die Aushöhlung der kulturellen Werte. Der Feind hängt sich wie ein Virus in die Immanenz des Systems. Und auf bestürzende Weise macht sich wieder eine Materialität bemerkbar, die durch das cleane und coole Prozessieren durch Marken in den Hintergrund getreten war. Und die Reaktion darauf kann wohl nicht darin bestehen, dass man sich zum Beispiel auf den guten alten Schlager beruft oder den Straßburger Flammkuchen. Die Signale stehen vielmehr auf Rezentrierung, diesmal fundamentaler westlicher Werte.

 

Dieter Wenk

 

Jeremy Rifkin, Access. Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt 2000 (The Age of Access, New York 2000)