13. November 2012

„Weit“

 

Nicht nur diese Film- und Fernsehanalyse, jede analytische Beschäftigung mit Film und Fernsehen scheint in hohem Maße tributpflichtig gegenüber der Literaturwissenschaft zu sein, ihren Methoden, ihrer Begrifflichkeit und ihrer Einstellung gegenüber Texten. Hinzukommen freundliche Übernahmen aus dem Terrain der Diskursanalyse wie die Implantierung des Konzepts des Dispositivs.

 

Man muss sich allerdings klar sein, dass Hickethiers Buch eine Einführung in die Thematik ist, um dessen wenig einlässigen Charakter zu würdigen. Ganz grundsätzliche Dinge werden hier verhandelt, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, Film und Fernsehen auf einer Ebene abzuhandeln, auch wenn bestimmte Aspekte (Serien etwa) dann noch einmal zu Differenzierungen führen. In verschiedenen Kapiteln werden Kategorien der Audiovision vorgestellt, also das Visuelle, das Auditive, es werden Betrachtungen darüber angestellt, wie erzählt wird (hier sind die Nachbarschaften zur literaturwissenschaftlichen Narratologie unübersehbar), es wird informiert über Schauspielen und Darstellen in Film und Fernsehen, Unterschiede aufgezeigt zwischen Dokumentation und Fiktion, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen Kinofilm und Fernsehfilm.

 

Die Analysen sind stark didaktisch aufbereitet, Beziehungen zwischen Film und Fernsehen finden sich nicht selten in klassifizierenden Kästchen entwickelt, so etwa die Farbigkeit des Films in der Filmgeschichte und die Farbigkeit des Fernsehbildes in der Fernsehgeschichte. Beispiele mit Abbildungen verdeutlichen analytisch Herausgearbeitetes und bestätigen es zugleich. Jeder Zuschauer wird sicherlich verstehen, was er gerade sieht, auch ohne eine solche Einleitung, aber gerade die immer wieder eingestreuten Beispiele sind doch ganz hilfreich, um sich bestimmte Entscheidungen von Regisseur und Kameramann/-frau klar zu machen.

 

So werden international gängige Einstellungsgrößen anhand des Westerns High Noon (1952) exemplifiziert: also Kategorien wie Weit, Totale, Halbtotale, Amerikanisch, Halbnah, Nah, Groß und Ganz Groß (oder: Detail). Die Amerikanische Einstellung hat sich aus dem Western heraus entwickelt „und zeigt die Figuren so, dass man z.B. in einem Show down nicht nur das angespannte Gesicht sehen kann, sondern auch, wie die Hand zum Revolver greift, um den entscheidenden Schuss abzugeben.“

 

Wer also erstes terminologisches Rüstzeug zur Verfügung gestellt bekommen möchte, ist bei Hickethier genau richtig, der im Anhang weitere Literatur vorstellt, von Grundlagen- und Nachschlagewerken bis hin zu Spezialliteratur. Knut Hickethiers Film- und Fernsehanalyse ist jetzt in einer 5., aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen, die für den Laien all das bietet, was dieser wissen muss, wenn er sich Gedanken macht über die andere Seite, also die Produzenten von Filmen, seien sie fürs Kino oder fürs Fernsehen.

 

Dieter Wenk (11-12)

 

Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse, 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Mit 26 Abbildungen, Stuttgart, Weimar 2012 (J.B.Metzler)

 

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