5. März 2012

„Tambourines, Beautyqueens and Dreams“


Es passiert mir nicht mehr allzu oft, dass ich eine neue CD einschiebe, die in meinen Ohren den feinen Härchen schmeichelt und im Ohrenschmalz sanft ihre Spuren hinterlässt. Die Band Fenster schafft mit ihrer soeben erschienen Debüt-CD Bones genau dies. Und ich kann mir vorstellen, dass das nicht nur an meinen verklebten Ohren liegt.

 

Fenster kommen aus Berlin, haben ihre Wurzeln aber in den USA und Frankreich, und bestehen aus Jonathan Jarzyna, JJ Weihl und Rémi Letournelle – alle um 25 Jahre alt. Mit Gitarre, Bass, Banjo, Cymbal-Schwebesounds, Schlagwerk, Synthie, diversen Noiseeinspielern und viel schönem, zurückhaltenden Gesang erschaffen sie großartig einfühlsame, zarte Tracks mit der nötigen Melancholie und dunklen Atmosphäre. Das setzt sich graziös ab von vielem zu dick Aufgetragenem. Musik für Männer und Frauen, die recht belletristisch zum Resümee-Ziehen einlädt – wegen Tod, Mord und anderer Herbarien. Eigentlich ganz unpassend zum demnächst beginnenden Frühling, aber geeignet für diesen Tag, der so nass-grieseliggrau vom Ausbleiben erzählt. Wie die Musik.

In kleinen Schleifen ziehen eingängige Melodien ihre Runden und werden zerteilt von leicht irritierenden Breakparts.  Auf Bones verschmelzen Lieblingssounds von Velvet Underberg (drittes Album!), The Feelies (at Bikini Bottom?) und den Red House Painters sehr charmant, angedeutet, tender, filigran und warm. Die Band geht darüber hinaus eigene Wege mit reduziert und gezielt eingesetztem Fachwissen zur harmonisch-dichten Atmosphärengestaltung, mit weiblicher Stimme und LoFi-Attitüde, summendem Whispergesang, vielen Löchern und Pausen, viel Schwermut, viel Forest. Das sorgt für Kammermusikqualitäten, vielleicht nicht ganz so sinister wie bei den Young Marble Giants und bei Lisa Germano. Im Titel „Spring Break“ klingen sogar die early Byrds und deren twingeling Gitarrensounds an. Nein, Fenster sind nicht bedrückend und nicht nur etwas für den Winterabend des stillen Deprimatens allein vorm Schafott. Da macht dann auch die Thereminorgel (oder ist es nur eine Terminorgel vom Typ „singende Säge“?) Sinn, die wimmernd im Hintergrund vom Schmauch des Besch(m)issenwerdens erzählt. Womit und wodurch auch immer.

Im Song „Fantasy II“ klingt da der zweite Sänger Rémi Letournelle etwas nach David Byrne? Charming. Super auch „Fisherman“: Das ist wunderbare Spieluhrmusik für den City-Gardener im Slow-Blow-up-Rausch.

Ja, okay, manchmal werden Songs nicht so toll fortgeführt, wie sie begonnen haben. Doch finden sie dann wieder zurück zur schönen Erst- und Ausgangsstimmung.

Dass der letzte Track dann auch noch „Gespenster“ heißt, setzt dem Ganzen allerdings die Haube auf – Klosternonnentum? Der Titel klingt wirklich katholisch und geisterhaft, „Jesus“ von VU bleibt in Assoziationsnähe.

Bones besitzt eine Gesamtspieldauer von 43,2 Minuten und zwölf sehr schöne, melancholische Miniaturen. Deep, dark and dangled. Meine Empfehlung.

 

Carsten Klook

 

Die Band tourt demnächst an der Ostküste der USA, kehrt zurück nach Berlin und startet im April ihre Europa-Tour. 

 

Fenster: Bones (Morr Music)

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