12. August 2010

Langzähne

 

Vampire. Gerade in aller Munde, und das nicht erst seit der niemandem verborgen gebliebenen Serie einer bekannten Schriftstellerin, die nunmehr auch in den Kinos zu Hause ist.

Die Skepsis, weitere Werke zum Thema von weitestgehend unbekannten SchriftstellerInnen zu lesen, ist natürlich groß, jedoch im Falle von Jürgens Roman völlig unbegründet. Denn sie baut eine ganz eigene Welt, eine Umgebung auf, die doch eigentlich irgendwo in unserer heutigen Zeit liegt, jedoch eine Spezies mit allen Problemen der Minderheiten zeichnet, die ebenso Sorben, Elsässer oder Dänen in Deutschland sein könnten.

Natürlich sind Jürgens Etanaer völlig anders, leben zum großen Teil seit Jahrhunderten auf dieser Erde und haben eigentlich genau dieselben Probleme wie wir als Normalsterbliche auch. Nur, und das ist bezeichnend für Jürgens Welt, bei ihnen sind sie langlebiger.

Jürgens Gestalten und Personen, Umgebungen und Bräuche sind scharf gezeichnet, jedoch auch wohltuend normal und nicht übertrieben beschrieben. Die Autorin versucht in ihrem Debütroman, das Klischee des Genres zu verdammen, reale Hintergründe einzubeziehen und damit den Leser mitten in diese doch so nahe, aber eben auch ferne Welt zu entführen.

Wie findet ein Vampir eine passende Frau, die nicht nur, wie allgemein angenommen, durch einen Biss an ihn gebunden wird, sondern auch zu ihm steht? Kann solch ein Langzahn überhaupt normal fühlen und sich familiär binden, Kinder zeugen und für diese da sein, nur allein, unter seinesgleichen oder auch in Gemeinschaften mit „Nichtvampiren“ leben?

Jürgens findet ganz erstaunliche Antworten und Erklärungen, dabei auch eine Art Gegenspieler, eine Frau, die seit Jahrhunderten die endliche Gabe ihrer Unsterblichkeit, die sie in einem schwachen Moment von solch einem Etanaer erhielt, bewusst ausnutzt und nun ihrerseits für ihr weiteres Überleben Mitglieder dieser Spezies mit mehr oder weniger Erfolg jagt. Dabei wird sie zunehmend zur wachsenden Gefahr der Hauptpersonen und ein mit großem Aufwand und für ein Überleben gemeinsam von Menschen und Etanaern zu bekämpfendes Problem.

Leon, einer der vergleichsweise jungen Etanaer, kämpft seit Jahrhunderten mit einer verlorenen und vor allem damals auch sehr unglücklichen Liebe. Dabei zerfleischt er sich gar regelrecht selbst, achtet weder sein Leben noch seine Umgebung, bis er schließlich genau bei diesem Tun jene Frau gefunden zu haben scheint, die nicht nur durch ihre eigenen Besonderheiten, die Etana einst wenigen Menschen gab, zu ihm passt, sondern nach einer Weile auch noch das nötige Verständnis für ihn und die Gegebenheiten seiner Art, seines Lebens, erlangt. Doch auch dahin ist es ein weiter Weg. Und wenn man am Buchtitel noch abzulesen meint, dass auch die anderen benannten.

Wie alt werden Vampire? Sterben sie überhaupt eines natürlichen Todes? Können sie an Kummer zugrunde gehen? Und wenn ja, wann, warum und wie? Auch hier hat Jürgens die passenden Erklärungen im ersten Band. Und ihre Einlassung zu Beginn des Buchs, dass sie eigentlich nur auf die Idee kam, diese Geschichte zu schreiben, weil sie nicht auf das Erscheinen des nächsten Bandes einer allseits bekannten Reihe warten wollte, nötigt dem Leser gehörigen Respekt ab. Denn was da entstand, gleich verworren beginnt und später immer klarer erkennbar wird, das könnte man als eine neue aktuell-historisch-fiktive Abhandlung zu eben jener Spezies bezeichnen, die sich nach Anerkennung, Liebe, Sex und Gemeinschaft sehnt, jedoch immer auf ihre Verborgenheit, die Wahrung der Geheimnisse achten muss, mehr noch als der normale Mensch natürliche und künstliche Feinde hat.

Schon beim ersten Blick auf das Cover, welches schlicht wirkt, aber neben vielen geheimen Zeichen auch einen Vertreter der Etanaer zeigt, wird das Neuartige in diesem uns doch eigentlich bekannt erscheinenden Genre klar.

Wer sich bisher den Vampirstoffen verschloss oder nur die bekannten Kultfilme aus früheren Jahren kennt, sollte sich in Jürgens Buch Lust für den unbedingten Genuss weiterer Literatur über eine Spezies irgendwo zwischen Mensch und Tier, Wahrheit und Fiktion holen.

Hier existiert eine andere Welt. Eine, in der nicht nur die Guten und Bösen gegeneinander kämpfen, eine Zuordnung nach Monstern und Heiligen geschieht, sondern das normale Leben mit ein wenig Märchen und Fabel vermischt.

 

Stefan Jahnke

 

Antje Jürgens: Etanas Söhne Teil 1 - León, Alejandro & Nathan - Band 1 - Tödliche Bedrohung, tredition GmbH 2008

 

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