16. Januar 2010

Historisch bedeutsames Feiern

 

Nach überstandener Silvesternacht lässt sich aufatmen: Die Frage, wo die beste Party stattfindet, muss man sich erst mal nicht mehr stellen. Doch vor 20 Jahren war die (vermeintlich) tollste und vor allem historisch bedeutsamste Party noch leicht zu finden, nämlich in Berlin. Dahin machen sich vier junge Leute aus der westdeutschen Provinz auf, allerdings wollen sie nicht zum Brandenburger Tor, sondern auf den Alexanderplatz, um mit den befreiten Brüdern und Schwestern im Osten zu feiern. Mit dabei sind noch drei weitere Bekannte aus dem Heimatdorf. Natürlich kommt es anders als geplant, der Alexanderplatz ist leer, also müssen sie doch dahin, wo alle sind. Wenigstens lernen sie dort echte Ostberliner kennen, die sie sogar noch in ihre Wohnung in Pankow einladen. Doch statt ausgelassener Partystimmung herrscht dort erst mal Fremdheit, statt Begeisterung über den mitgebrachten Westchampagner, wie es sich der tonangebende Tommy ganz gönnerhaft vorgestellt hatte, schlägt den vier Freunden eher Skepsis entgegen. Wie sich herausstellt, sind ihre neuen Bekannten beim Staat beschäftigt und von daher zu Recht besorgt über die Zukunft. Am Ende der Nacht ist nichts mehr so, wie es war, selbst die gruppeninternen Verhältnisse sind ungeklärt. Die Ich-Erzählerin, ohnehin schon beim zweiten Freund innerhalb der Gruppe angelangt, wechselt möglicherweise zum nächsten Lover, alle anderen müssen zumindest ihr bisheriges Weltbild infrage stellen. So eine Silvesternacht kann schon bedeutsam sein, laut Klappentext reicht sie sogar zum Erwachsenwerden. Allerdings macht das ewige Reflektieren der namenslosen Erzählerin die Handlung an sich auch nicht spannender und vor allem nicht weniger klischeebeladen. Das ist schade, die Idee des Romans ist eigentlich nicht schlecht und passt natürlich sehr gut zu den Jubiläumsfeiern der letzten Monate. Neben der öffentlichen Inszenierung hätte ein privater Blick durchaus gutgetan, aber die von Andreas Platthaus gezeichneten Charaktere bleiben merkwürdig eindimensional. Und dass die Frau des Gastgebers mit Einverständnis des Ehemannes ein Verhältnis mit dem Nachbarn hat und mit diesem natürlich auch – freizügig, wie sie im Osten halt so waren, und gleichzeitig zum Entsetzen der westdeutschen Besucherin – Pornos guckt, ist vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Weniger Klischees wären gut gewesen.

 

Katrin Zabel

 

Andreas Platthaus: Freispiel. Roman. Rowohlt Verlag 2009. 204 Seiten

 

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