27. November 2009

Lieblingsbilder berühmter Männer

 

Vielleicht wird es das mal geben, eine Ideengeschichte der Bildwissenschaft. Was hier vorliegt, ist eine sehr lockere Sammlung von Porträts zu Persönlichkeiten, erstaunlicherweise alles Männer, die sich in ganz unterschiedlicher Weise mit Bildern auseinander gesetzt haben, wovon man aber teils noch gar nichts wusste und erst jetzt durch Archivrecherche ans Licht getreten ist. Eine andere Frage ist, ob die vorgestellten Personen sich als Bildwissenschaftler betrachteten. Bis auf Aby Warburg, den Erfinder des Begriffs, muss man diese Frage wohl verneinen.

 

Nur weil Carl Schmitt in seinem „Leviathan“ ein paar Bildchen abbilden lässt, tritt er deshalb nicht als Bildwissenschaftler auf. Auch von Roland Barthes ließe sich das nicht behaupten, so unterschiedlich sind seine Studienfelder. Michel Foucault hat sich durchaus mit Bildern beschäftigt, aber auch hier ließe sich nur schwer ein eigenständiges Arbeitsterrain Bildwissenschaft errichten. Ließe man sich auf ein solches Spiel ein, könnte man bei Plato anfangen und den Begründer der Ideenlehre als Ziehvater einer kommenden Bildwissenschaft ernennen. Aber hat die Bibel darauf warten müssen, dass es so etwas wie Bildwissenschaft gibt, damit man in ihr auf gewisse Aporien der Bildgebung und Bildverweigerung aufmerksam gemacht wird, allerdings ohne einen biblischen Ansprechpartner zu finden, und das ist ja genau das Problem.

 

Der Zugriff auf den Bildbegriff ist also extrem locker in diesem Sampler, und die Herausgeber legen ausdrücklich Wert darauf, hier keine Grundsatzproblematik durchführen zu wollen. Es weht also ein impressionistischer Zug durch diese Publikation. Wenn Hans Sedlmayr bestimmte Bilder betrachtet, wird etwas anderes dabei herauskommen, als wenn Ernst Gombrich sie sich anschaut. Aber gerade die Möglichkeit des direkten Vergleichs wird man nicht finden, und wenn ja, wäre man schon wieder in einer doch eher kunstwissenschaftlichen oder -geschichtlichen Veranstaltung, aber Kunstwissenschaft oder Kunstgeschichte wollte man doch gerade mit einer Bildwissenschaft überwinden oder aufheben. Die ganze mediale Streuung, Gemälde, Stiche, Fotos, Abbildungen in Büchern, Poster, und eben nicht nur die Museumslandschaft als Heimat der Bildwissenschaft.

 

Das Problem dabei ist, man bekommt keinen richtigen Boden unter die Füße. Zu idiosynkratisch sind die einzelnen Ansätze, wenn man überhaupt hochtrabend von Ansätzen reden möchte im Sinne eines fehlenden Bewusstseins vieler Porträtierter als Agenten der Bildwissenschaft. Was darüber hinaus auffällt ist die Fokussierung auf Geisteswissenschaft. Eine veritable Bildwissenschaft muss natürlich auch ihre physiologischen und neurologischen Grundlagen bedenken. Das heißt, in diesem Sammelband gibt es viele bildnehmenden, aber keine bildgebenden Verfahren. Als ob die Bilder alle schon da wären und nicht auch erst nachträglich oder projektal gemacht würden. Als Schmöker funktioniert der Band allerdings ganz gut.

 

Dieter Wenk (11-09)

 

Jörg Probst/Jost Philipp Klenner (Hg.): Ideengeschichte der Bildwissenschaft. Siebzehn Porträts, Suhrkamp 2009

 

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