18. September 2009

Höhepunkte des Ichs. Ausbildung Reichweite Gelingen

Höhepunkte des Ichs

 

Subakademische Exzellenzoffensive der Folksavantgarde Hamburg

mit:

 

Alexander Höpfner

Gabi Steinhauser

Ingrid Scherr

Peter Lynen

Simon Starke

 

auf Einladung von Nora Sdun, Trottoir Hamburg und ATELIERFRANKFURT

 

Transmediale Raumansprüche, verbogene Flachware, ungehobelte Späne im Abendlicht, Kirchenfensterlyrik als Selbstblendungsakt, ergebnis(bes)offene Insolvenzberatung in Teilzeitzeichnungen, kurz aber gut: für Fortgeschrittene.

Wo anderen die Zunge schon mal aus dem Hals hängt. suchen wir erst nach einer Parkmöglichkeit. Dann aber gibt’s wieder einen schönen Strafzettel, weil Strafe anscheinend wieder sein darf: Sandra Bullock, 44, Schauspielerin, stellt ihre Kinder zur Strafe in die Ecke. ?Meiner Ansicht nach ist Disziplin ein Ausdruck von Liebe', sagte Bullock der Frankfurter Rundschau. Doch müssten auch sie oder ihr Ehemann Jesse James in die Ecke, wenn sie etwas falsch gemacht haben. ¸Strafe gilt für alle’, so Bullock, die die Kinder ihres Mannes adoptiert hatte. (Siehe Titel)

 

Es ist üblich geworden, künstlerische Arbeiten als Ergebnis von Machenschaften anzuerkennen, als Manöver oder Symptom bestimmter Strategien. Wir machen das genauso, nur dass wir Ausbildung, Reichweite und Gelingen nicht anhand von Flatraterzählungen oder briefmarkengroßer Googelwartsversprechen beurteilen, sondern am ehesten dem 1:1 eines misslungenen Austellungsauftritts Glauben schenken.

 

Denn die Tunten des Repräsentanten sind die Mutanten der Präsidentin, die sich in mühevoller Kinderarbeit einen Finanzteppich hat knüpfen lassen, nur damit sie trockenen Fußes aus der Badewanne steigen kann, obwohl schon das ganze Zimmer unter Strom steht, na ja, ist ja ihre Privatsache.

 

Wie dem auch sei. 

Unter dem Titel HÖHEPUNKTE DES ICHS. AUSBILDUNG REICHWEITE GELINGEN sind zum ersten Mal die Arbeiten von fünf Künstlern in einem Ausstellungszusammenhang zu sehen, die in der nichtkommerziellen Ausstellungsszene Hamburgs seit längerem eine Rolle spielen und dort hohe Anerkennung genießen. Ausgebildet bei so unterschiedlichen Lehrern wie Claus Böhmler, Bernhard-Johannes Blume und Franz Erhard Walther unterscheiden sich die Denk- und Arbeitsansätze erheblich. Doch aus der spröden Intensität ihrer diversen Ausstellungsauftritte lässt sich deutlich ein gemeinsamer Zug zu sperrigen Arrangements und detailreichen Ausweichmanövern ablesen. Gängige Vereinbarungen über säuberliche Trennungen von Arbeitsformen werden ignoriert oder konterkariert.

 

Also: Ab dem 2. Oktober 2009 stehen im vierten Stock des ATELIERFRANKFURT fünf Anhaltspunkte der sogenannten subakademischen Folksavantgarde Hamburger (SFHH) zur Disposition.

 

Herr Hoepfner, seines Zeichens Einzelkind, schöpft aus dem inneren Monolog. Mit linkischer Hand folgt er dem geschmäcklerischen Anpassungspirouetten zu trotzen. In materialgeladenen Bildern konfrontiert er uns mit der Zwanghaftigkeit des Seins. Denksackgassen und Urängste werden erinnert und in tänzerisch malerischen Gesten neu sortiert. (Fehlt v. a. die zeichnerische Basis und seine Nichttrennung vom Gemalten und Gebauten. Die grammatikalische Fährlichkeit ist allerdings klar)

 

Peter Lynen rekonstruiert die Gegenwart in einer falschen Zeit neu und stellt ihr die Vorstellungen der Vergangenheit (Erinnerung, Geschichte, Herkunft, Ursache) und der Zukunft (Hoffnung, Angst, Vision, Entwicklung) gegenüber. So entstehen künstlich gealterte Skulpturen, Bilder und Zeichnungen, die eine entschleunigte Wirklichkeit darstellen. Es sind experimentelle Aufbauten psychischer Wahrnehmungsphänomene, die sich in einer spekulativen Anatomie äußern.

 

In großformatigen Hochglanzfotos inspiziert Gabi Steinhauser den letzten Umgang mit Dingen einer Wohlstandsgesellschaft. Konstruktionsreste werden in Ausschnitten dokumentiert, eng angeschnitten und mittels des extremen Hochformats zu sperrig-verstrebten Bildblöcken zusammengezogen. Der Blick wird von einer intensiven Nähe und Farbigkeit angezogen, gleichzeitig ist Abstand nötig, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Das Vakuum der eigenen Leibhaftigkeit wird mit den Bildern spürbar. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert. (Letzteres bleibt rätselhaft.)

 

Bei Simon Starke wird der Ausstellungsort als Fragment skulptural inszeniert. Farben als Überzüge spielen eine Rolle. In der vagen Hoffnung, äußere und zugleich raumimanente Zustände spielerisch zu meistern, wird das Selbst als verpacktes Hindernis dem Raum freigegeben und von alteingesessenen Stuhlelementen getragen. Eine Art potemkinsche Konstruktion entsteht, die klassischen Verteilungsfragen folgt, in Hohlformen zerlegt, aber eher einem Geschiebe ähnelt.

 

Lumpenspiegel und Seelenkleister: Ingrid Scherr kombiniert und collagiert präfigurative Strukturen und Zeichen mit gefundenen Dingen. In den Bildern und Skulpturen finden Verschiebungen oder Metamorphosen statt. Die eindeutige lesbarkeit der Dinge wird unterbrochen. Das haucht dem Wahrnehmungsgetrottel täglicher Routine ein neues Leben ein. (Fehlt v. a. eine Vorstellung des dreisten Zugriffs und der Hemmungslosigkeit eines ungestelzten Vortrags, des Kuddelmuddels und ansatzlosen Absprungs.)

 

2. Oktober – 7. November, Ausstellung: ATELIERFRANKFURT e. V. 

Hohenstaufenstraße 13-25, Frankfurt am Main 

 

Eröffnung: Freitag, 2. Oktober, 19 Uhr

 

 

Kontakt:

norasdun(at)trottoir-hh.de

www.trottoir-hh.de