17. September 2009

»Das gefährlichste Büro der Welt«

Das gefährlichste Büro der Welt

 

Andrea Winkler / Stefan Panhans

 

Ausstellung vom 19.9. - 24.10.2009

RAUM FÜR ZWECKFREIHEIT

Adalbertstraße 71

10997 Berlin

www.zweckfreiheit.de

 

Eröffnung: 18.9.2009, 19 Uhr

Öffnungszeiten: Donnerstags und Freitags

16 - 18:30 Uhr und nach Vereinbarung.

 

Im September 2009 wird im RAUM FÜR ZWECKFREIHEIT in Berlin die Ausstellung "Das gefährlichste Büro der Welt" von Andrea Winkler und Stefan Panhans eröffnet.

Für diese Präsentation arbeiten die in Berlin lebende, gebürtige Schweizerin Andrea Winkler und der Hamburger Stefan Panhans erstmalig zusammen an einer gemeinsamen Installation, die speziell für den RAUM FÜR ZWECKFREIHEIT entwickelt ist und neue Arbeiten beider enthält.

Stefan Panhans ist neben seiner Videoarbeit auch durch seine fotografische Arbeit bekannt, in der er sich in den letzten 2 Jahren hauptsächlich auf Phänomene des zeitgenössischen Lebens und der Urbanität mit zumeist stark inszenierten Räumen und Orten konzentriert, die Panhans beim alltäglichen Anblick hochkommerzialisierter Innenstädte findet. Mal mit verstelltem Blick, mal unumwunden direkt hinterfragen seine Fotografien hierbei diese Inszenierungen samt ihrer instrumentalisierten Versprechen und Suggestionen.

Andrea Winkler realisiert Rauminstallationen von häufig intervenierendem Charakter. Ihr Vorgehen ist gekennzeichnet durch teils minimale Eingriffe und subtil verfremdete 'Wiederaufführungen' von Versatzstücken aus der Alltagswelt, die zu großen Teilen auch aus einem Repertoire aus auf Dekoration und Inszenierung hin angelegtem Objektfundus schöpfen. Winkler bezieht in ihre Installationen jeweils den konkreten Ausstellungsraum mit ein, sodass dieser in seiner Funktion und Gestalt zu einem wesentlichen Akteur in der Gesamtsituation wird.

Beiden künstlerischen Arbeitsweisen ist ein spielerisch verstörender Unterton eigen, der bestimmte Bedeutungszuweisungen und Instrumentalisierungen alltäglicher Dinge, Räume und Szenerien in Frage stellt. Diese aufgrund subtiler Veränderungen umzudeuten, ob in Raumintervention oder fotografischem Bild, sind beiden Künstlern gemeinsame Strategie, die sie im RAUM FÜR ZWECKFREIHEIT einsetzen werden, um Ambivalenzen, Mehrdeutigkeiten und Abgründigkeiten unseres gewöhnlich erscheinenden Umraums zu befördern.

 

 

Weiterführende Texte:

zu Stefan Panhans:

"Echos aus Malls" (Auszug), Kathrin Busch im Katalog zur Ausstellung Who´s Afraid of

40 Zimmermädchen, Kunsthaus Hamburg, 2008

zu Andrea Winkler:

"Made in Switzerland – Made in Berlin", Birgit Szepanski, Kunsttermine, 2009

 

Aus »Echos in Malls«

Kathrin Busch in »Stefan Panhans – Who´s afraid of 40 Zimmermädchen«,

Katalog, Kunsthaus Hamburg, 2008

( …) Die neuen Fotografien von Stefan Panhans sind außerordentlich lässig geschossen und ganz dem Überraschenden und Zufälligen verpflichtet. Überall bringen sich die wundersamsten Dinge unkalkuliert, wie nebensächlich, zur Aufführung und geben ihren Sinn nicht preis. Extrem vergrößert, will das Sujet doch nicht sichtbar werden. Die Blow ups verschärfen nur die Unlesbarkeit der Bilder.

Beständig schieben sich dem Betrachter undurchdringliche Flächen oder leuchtend-verschwommene Flecken in Großformat vor den Blick. Die Sicht auf die polierten Limousinen in der Parkhaus-Tiefgarage wird durch ein Gitter verstellt. Die befremdlich leere Delikatessen-Auslage ist mit einer Plastik-Plane verhängt, deren Glanz ganz unglamourös der zu langen Belichtung geschuldet ist. Und ein vollständig verschattetes Blumenarrangement legt sich flächig wie ein Scherenschnitt über eine Szenerie – vielleicht ein Empfangsraum, an dessen Wänden großformatige Modefotografien gleichsam den bildprogrammatischen Kontrapunkt bilden.

Panhans bleibt mit seinen jüngsten Arbeiten den Orten seiner früheren fotografischen Erkundungen treu. Es sind mit den Flaniermeilen der Shopping-Malls und anderen künstlichen Landschaften hochgradig inszenierte Orte. Ihrem Charakter der Zur-Schaustellung entgeht man nur, indem man die Geschlossenheit der sichtbaren Repräsentation stört: motivisch durch die Fokussierung des Nebensächlichen und formal in der Ungeschicklichkeit, die in der Hochglanzwelt von Mode, Luxus und Reichtum einen verheißungsvollen Wert erhält.

Bisher konnte man das fotografische Werk von Panhans in der Tradition der „Street Photography“ einordnen und als detaillierte Analyse postmoderner Lebenswelten lesen. In der Serie „Womit wird eigentlich vergoldet bei einem Waldüberfall frag ich mich grade“ (1999-2002) war es die Überinszeniertheit der Einkaufswelten, in denen sich das weibliche Personal – gleichsam zum Verkaufs-Display gehörend – in seinem Aussehen mimikryartig dem chicen Style der Shops angeähnelt hat. In der Serie „Red Light White Sands Black Palms“ (2002-2007) stand mit den Selbststilisierungen der Konsumenten ganz generell die Bildwerdung des Subjekts zur Disposition. In den Bildern zeigte sich, wie die gekonnten Posen und das in der Kamera verkörperte Blickbegehren einträchtig zur Deckung kommen.

In den nun gezeigten, großformatigen Bildern haben sich die Menschen von der Szenerie zurückgezogen und die Aufmerksamkeit hat sich auf Dingarrangements und Raumsituationen verschoben. Die Personage fungiert, wenn sie auftaucht, eher als Dekor, ohne dass jedoch diese Verdinglichung eigens zum zentralen Thema würde. Die Szenerien haben sich vielmehr ins Traumhafte verlagert. In der Tendenz sind diese Bilder surreal.

Als Charakteristikum der surrealistischen Photographie kann – folgt man Rosalind Krauss – gelten, dass sie das Wirkliche als ein sich automatisch hervorbringendes Zeichen seiner selbst zur Darstellung bringt. In diesem Sinne haben schon die früheren Serien von Panhans einen surrealen Zug, tauchen die Protagonisten doch vor allem in ihrer unwillkürlichen Bildwerdung auf, die nur noch abgelichtet werden muss. In den jüngsten Arbeiten wird diese spontane Verwandlung der Realität in eine originäre Repräsentation durch die gewählten Motive verdoppelt. So wird ein hell erleuchteter Raum aus voyeuristischer Perspektive aufgenommen. Das, was sich dem scheinbar heimlichen Blick darbietet, ist aber keine intime Szene, sondern die Vorbereitung für ein Photo-Shooting.

Auch der Striptease – allem Anschein nach auf der Bühne einer Erotik-Messe – ist bereits ein für den Massenkonsum reinszeniertes Spektakel, das jeder Chance auf eine subversive oder überschreitende Erotik entledigt ist. Die Nackte zu fotografieren ist schon deshalb wenig anstößig, weil – wie im Foto sichtbar – die Szene auch von allen anderen als Photo-Opportunity wahrgenommen wird. In den aufleuchtenden Displays der Digital-Kameras anderer Zuschauer und dem „mise en abyme“ der Fotografie von Fotografierenden läuft der Voyeurismus endgültig leer.

Zurück bleibt eine dem begehrlichen Zugriff entzogene blau leuchtende Gestalt. Die Surrealisten hatten – nach Walter Benjamin – ihre vornehmste Aufgabe darin gesehen, „die Konturen des Banalen als Vexierbild zu entziffern“, dessen Bedeutung umschlägt und von jenem emphatisch beschworenen Heterogenen kündet, das sich in der zum Bild gewordenen Welt nicht zu behaupten vermag. Die Botschaften dieses Umschlags bleiben dort, wo man mit aller Macht vom Wunderbaren profitieren will, natürlich aus. Umgeben vom Kitsch vorfabrizierter Phantasiewesen kann man nur den Blick trüben oder die Augen schließen wie das Mädchen in der Spielzeugwarenwelt, das allein auf diese Weise vielleicht in einen Traum versinkt.

Unter dem Blickwinkel des Surrealen wird schließlich auch der Sinn der bildlichen Flecken und Unschärfen erkennbar. Sie sind Georges Batailles „l’informe“ verwandt: in ihrer Ungestalt insistieren sie darauf, dass es eine Kehrseite des Vorgefertigten und Vor-Gesehenen gibt. Daher auch die tendenzielle Unbestimmtheit der Sujets. Panhans verstärkt mit der antikompositorischen Geste die dem fotografischen Bild per se innewohnende Uneindeutigkeit.

( …)

 

Aus »Made in Switzerland – Made in Berlin? - Schweizer Künstler

und Kuratoren in Berlin«, Birgit Szepanski, Kunsttermine, 2009

Andrea Winkler (...) nutz die Atmosphären und Bedingungen der jeweiligen Ausstellungssituation, um flüchtig anmutende Interventionen zu inszenieren. Der ›schöne Schein‹ zerbricht, zerfällt immer – in der Schönheit scheint ein immanentes Kräfteverhältnis zu liegen: Anmut, Leichtigkeit, Glanz ist mit Zersetzung, Verfall und Auflösung unauflösbar verbunden.

Andrea Winklers künstlerischer Gestus, mit dem sie auf vorgefundene Raumsituationen reagiert ist irritierend, stiftet Ambivalenz und ist vor allem Modus einer Begehrlichkeit.

Der Betrachter spürt in den Ausstellungsräumen der Anna- Catharina Gebbers Bibliothekswohnung Berlin (The White Belt, 2007) einer szenisch angelegten Raum-Choreografie nach, entdeckt stilisierte Beweise einer gleichzeitigen An und Abwesenheit einer Person und einer Atmosphäre des Wohnens. Eine am Fenster hängende, rot besprühte Folie, zusammengeknüllte, herabhängende Handtücher im Badezimmer, an die Wand geklebte, mit Faltungen versehene Werbebilder, farbige Tabletten, sorgsam auf den vorhandenen Kühlschrank gelegt sind ästhetische Identifikatoren einer fiktionalen, glamourösen und zugleich brüchigen Lebenswelt. Der subtile Blick des Begehrens, den Andrea Winkler in ihren räumlichen Collagen und Assamblagen formuliert ruft einen emotionalen, psychischen Schwebemoment von Verlangen, Verlust, Erwartung und Imagination hervor. So auch bei den scheinbar unscheinbaren Veränderungen in den Zimmern des Hotels Alpenhof in St. Anton, Appenzell (Great Vacancy, 2008). Das Hinzufügen eines Stücks Stoff neben einen Vorhang, zu Lampen gehängte, geknitterte Lampions und die Choreografie eines mit Fehlmomenten inszenierten Feuerwerks zum 1. August (Nationalfeiertag der Schweiz) – damit verweist Andrea Winkler auf den obskuren Schein unserer Gegenstände des Alltags, ihrer Wertigkeiten, ihren scheinbaren Sensationscharakter und dem Charakter von Räumen und Interieurs. Andrea Winklers latent-flüchtig anmutende Berührungsspuren tarieren präzise jenen ›schönen Schein‹ von Oberfläche und Zerrfall aus. Darinnen splittern Oberflächen, werden Volumen brüchig und Andrea Winklers sensitiver Sog von Verführung und Destruktion führt in die Sphäre einer räumlichaufblätternden Transgessivität.