21. Juli 2009

Tempelreport

 

Was haben Paul Watzlawick, Paul Ingendaay, Birgit Vanderbeke und Reinhold Messner gemeinsam? Eine Frage für Marsbewohner. Denn diese vier Autoren (und viele andere mehr) haben eine „Gebrauchsanweisung für…“ verfasst, wobei einige neuralgische Erdregionen noch offen sind wie verständlicherweise der Süd- und der Nordpol. Immerhin ist jetzt eine wichtige Lücke geschlossen worden durch Christian Krachts und Eckhart Nickels „Kathmandu und Nepal“-Buch, einer Region mit der größten Tempeldichte, von den vielen hohen Bergen ganz zu schweigen.

 

Der eine und die andere werden sich erinnern: Eine bizarre Adresse (Hotel Sugat, Freak Street, Durbar Square, Basantpur, Kathmandu, Nepal) verwies auf das Redaktionsbüro einer der eigenwilligsten Zeitschriften der letzten Jahre: „Der Freund“, Laufzeit: 2 Jahre, 8 Nummern, keine Werbung, keine Fotos, dafür einigermaßen „sick“. Mit das Beste waren die Cover der Zeitschrift. Diese Gebrauchsanweisung ist gleichwohl kein offenes oder geheimes „Making of The Friend“. Aber es fallen hier und da Hinweise für die Nicht-Insider etwa eben zur legendären Covergestaltung. Den beiden Autoren ist etwas sehr Schönes gelungen. Während man sonst „Reiseführer“ ja nun wirklich nur dann kauft oder sich von Freunden ausleiht, wenn man genau dahin will, ist dieses Buch zu Fernost auch dann eine kurzweilige Lektüre, wenn man schon jetzt weiß, niemals einen Fuß auch nur in die Nähe des Mount Everest zu setzen (und doch hat man sich dabei ertappt, allein bei der doppelseitig abgedruckten Landkarte Fernweh empfunden zu haben).

 

Für einen gewöhnlichen Reiseführer ist dieses Buch natürlich viel zu gut geschrieben. Es setzt sicherlich nicht auf den Massentouristen, auch wenn durchaus Kochrezepte, Straßenzustandsberichte und Kapitel über den politischen Status quo des Landes nicht fehlen. Im Grunde stellt das Buch gar keine Anweisung dar. Hier wird nichts empfohlen, vor nichts wird gewarnt. Es sei denn, man vertraut sich den ironisierenden Berichten und Beschreibungen an und weiß dann selbst daraus Kapital zu schlagen, wenn es dann so weit ist. Keine Frage, dass der Dichter Hermann Hesse eine nicht ganz unwichtige Rolle in dem Buch spielt (auch in Form einer seltsamen „Hermann-Hesse-Gesellschaft“), dass Hippies und Beatniks mit von der Partie sind, dass eine Form des Linsengerichts einschlägig ist; interessant aber auch, dass gewisse Formen von „Selbstlosigkeit“ das Buch durchziehen, der Mythos des fernen Ostens durch harsche Frage-und-Antwort-Spiele kaputtgeht (die, wenn man will, „analytische Sitzung“ mit Matthias in Lumbini) und die beiden Verfasser sich durch ihre rechte Gesinnung „outen“ als Königstreue und Maoistenverfolger (in Form eines Interviews). Hier kann jeder Journalistenzögling lernen, was es heißt, ein gescheites Interview zu führen.

 

Muss man die Vermutung aussprechen, dass manches als Authentisches anderen in den Mund gelegtes den Eindruck macht, als sei es ein Elaborat der Verfasser selbst? Wäre das ein Einwand? Man muss es Autoren wie Kracht und Nickel danken, dass sie mit Büchern wie diesen anderen gestatten, als abgehalfterte Weltenbummler im Sessel lümmelnd zu Hause bleiben zu können. Dort ist es bekanntlich immer am schönsten.

 

Dieter Wenk (06-09)

 

Christian Kracht/Eckhart Nickel, Gebrauchsanweisung für Kathmandu und Nepal, München 2009 (Piper)

 

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