10. Juli 2009

Sic transit gloria mundi

 

Herbert von Karajan hat während dreißig Jahren die Welt der Musik beherrscht, als „Generalmusikdirektor Europas“ und Omnifex maximus des europäischen Festspielbetriebs: „Mozart ist in Salzburg, der Geburtsstadt Herbert von Karajans, geboren.“

 

Karajan ist in Salzburg gestorben, am 16. Juli 1989. Seither sind zwanzig Jahre vergangen: Ein Saurier könnte nicht toter als Karajan sein, und Karajan-Vergleiche sind, unter Musikern, tödlich.

 

Karajanitis: Das waren monströse Exzesse des Klangs und hemmungslos glättende Suche nach Schönheit – die‚Wahrheit’ des Ausdrucks fällt ihr zum Opfer. Stilistische Indifferenz, der Haydn und Bach so massig wie Bruckner und Mahler geraten, nicht selten exzentrische Tempi: in frühen Jahren allzu sportiv, toscaninesk, zum Ende hin schleppend. Nichts könnte uns fremder anmuten als Karajans breit ausladender Klangstil und eitel-autistischer Gestus. Die Gegenwart liebt das Schlanke, Forsche und Rauhe. Karajans Opulenz ist ihr unappetitlich.

 

Wohlgemerkt: Zur Karajan-Verachtung besteht kein Anlass. Da ist die Reinheit der Intonation. Ein weites dynamisches Spektrum. Durchhörbarkeit trotz uferlosen Volumens. (Die werbewirksame Floskel vom „Klangmagier“ enthält ein Gran Wahrheit.) Da ist Phrasierungskunst von beispielloser Elastizität. Ein feines Gespür für Proportionen der Tempi, bisweilen. Späte Verdi-Lesarten voll Feinsinns und rhythmischer Prägnanz, fern tumber Briobeschwingtheit. Das sagenumwobene Wiener Neujahrskonzert von 1987: Walzer, nach innen gewendet. Ein ‚Ring’ – und anderes von Wagner – aus dem Geist der Musik, nicht des Theaters, erblühend . Kurzum: Herbert von Karajan hat eine präzise Idee musikalischer Schönheit und bringt sie präzise zum Klingen. Musik gewinnt bei ihm farblichen Reichtum, Strahlkraft und Duft – wie sie Beredsamkeit und Ausdruckskraft einbüßt. Bei Debussy, Puccini und Wagner gleicht Karajan dem Fisch im Wasser, barocke Klangrede bleibt ihm ganz und gar fremd.

 

So fremd wie uns sein Name klingt. 20 Jahre? Die gefühlte Distanz steht in keinem Verhältnis dazu. „Karajan ist in Salzburg, der Geburtsstadt Mozarts, geboren.“

 

 

Jüngst sind mehrere Karajan-Bücher erschienen. Darunter ist manches Devote, Hagiographische, aber auch geistig Ambitioniertes. Ein biographischer Essai Peter Uehlings sei besonders hervorgehoben: Karajan (Rowohlt 2006). Alle Stationen der Vita werden angenehm nüchtern, gleichwohl meinungsfreudig, dargestellt. Vor allem aber: Karajans musikalische Leistung wird im Detail – und kritisch – gewürdigt.

 

Daniel Krause