26. April 2009

Werkstatt auf Rollen

Cecily Brown: Study after „paradise“ 3, 2003. 121.9 x 152.4 cm (48 x 60 in.) Öl auf Leinwand. © Cecily Brown, Courtesy Sammlung Essl Klosterneuburg / Austria. Fotonachweis: Mischa Nawrata, Wien
Summer Love, 2000 © Cecily Brown. Courtesy Thomas Holdings Inc. Collection

 

Läuft man links herum in den Deichtorhallen, sieht man die riesenhaften Bilder des österreichischen Malers Herbert Brandl, der vor zwei Jahren den Österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig bestückte. Spaziert man rechts herum, steht man in der ersten großen europäischen Werkschau der in New York lebenden Malerin Cecily Brown.

 

Bekannt wurde sie in den 90er Jahren mit ihrem absichtvoll grausamen Realismus nackter Körper. Natürlich haben Künstler Interesse daran, Rezipienten in nervöse Aufmerksamkeit zu versetzen, aber für Brown geht es weniger um eine motivische Provokation durch erotische Szenen, als um die Herausforderung, welche die Malerei selbst bedeutet.

Das ist einleuchtend, wenn man die Faktoren zusammenzählt, die die Biografie Browns aufweist. Ausgebildet in London zu einer Zeit, da es nicht opportun war zu malen, als Tochter von David Sylvester, dem Malereikritiker des 20. Jahrhunderts, und deshalb aufs Vertrauteste mit dem Werk von Francis Bacon bekannt, kann es nicht um den Reiz des Obszönen gehen, das ist kein spezifisch malerisches Terrain.

Brown beharrt jedoch auf der begrenzten Technik Malerei, im sicheren Wissen dass es kein Ziel oder Ende gibt. Es stört sie, wenn Betrachter etwas Spezifisches, Endgültiges in ihren Bildern finden wollen. Sie sampelt so viele Elemente, dass sich ein Bild ergibt, aber kein deutliches Motiv. Natürlich gibt es Elemente, die „sexy“ sind, aber diese Elemente haben den Status einer kompositorischen Maßnahme, um eine Dynamik ins Bild zu bannen, eine Spannung, die bewirkt, dass die Farbe auf der Stelle zu vibrieren scheint, gefangen in der Komposition der Elemente.

Gemalt wird an vielen Leinwänden gleichzeitig, alles schwimmt ineinander, große Spiegel auf Rollen sollen in ihrem Atelier stehen, sodass sich mit schnellem Blick ein Bild während der Arbeit daran von Ferne betrachten lässt, ohne die Leinwand zu verlassen. Die ganze Werkstatt läuft auf Rollen und ebenso mühelos laufen Stile von Guston, el Greco, Bosch und Velazquez durcheinander, es sind aber keine Zitate oder Verbeugungen vor alten Meistern, sondern zusammen mit Zitronen, Schuhen, Schenkeln und Bäumen gleichberechtigte malerische Mittel, die eben immer schon in Bildern auftauchten und durch deren extreme Verdichtung Brown einen Dominoeffekt von Assoziationen bei Betrachter auslöst.

Hervorzuheben sind die Vexierbilder, von denen eine kleinformatige Serie sowie zwei große Leinwände mit dem immergleichen Aufbau in der Ausstellung zu sehen sind. Eine sonnige Szene am Teetisch, zwei Damen im Gespräch und gleichzeitig ein Totenschädel, wobei die dunklen Frisuren der Damen die leer starrenden Augenhöhlen sind. In diesen Bildern scheint Cecily Brown einer Schule des Sehens, dem analytischen Impetus eines David Sylvester, am nächsten, ohne allerdings die verschwommene Regsamkeit ihrer Malerei mit Didaktik zu verkleistern.

 

Nora Sdun

 

Cecily Brown, Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstr. 1-2, D-20095 Hamburg

25.04.2009 – 30.08.2009

 

www.deichtorhallen.de