6. März 2009

Kinder an die Macht?

 

Das Kinder schrecklich sein können, ist vielleicht schon einigen von Ihnen durch den Kopf geschossen; allerdings nicht als Gewehrkugel, so wollen wir mal hoffen. Im Film „Ein Kind zu töten …“ könnte Ihnen das allerdings passieren. Hier stoßen Sie nämlich auf die perfideste Tötungsmaschine der Welt: einer Gruppe von Kindern, die sich singend und lachend der Erwachsenen entledigen. Sollten Sie also momentan in der Planungsphase für Nachwuchs stecken, dann lassen Sie lieber ihre Finger von dem Film. Es könnte sonst gut möglich sein, dass Sie dauerhaft kinderlos bleiben.

 

Tom und seine hochschwangere Frau Evelyn wollen mal ein bisschen ausspannen. Um so richtig zur Ruhe zu kommen, mieten sie sich ein Boot und fahren damit zur Insel Almanzora, die vier Stunden vor der spanischen Küste liegt. Als sie im Hafen anlegen, werden sie von einer Gruppe spielender Kinder empfangen. Na, da freuen sich doch die werdenden Eltern. Kinder, Kinder, Kinder. Hier scheint man Kinder wirklich noch zu mögen. Die Eltern sind allerdings weit und breit nicht zu sehen. Vielleicht feiert man ein Fest am anderen Ende der Insel, mutmaßt Tom. Klar. Das wird schon so sein. Also schlendern sie durch das merkwürdig verlassene Dorf, besorgen sich Essen und genießen die Ruhe. Hin und wieder taucht mal ein Kind auf. Das war es. Aber dann wird Tom Zeuge eines mehr als bizarren Spiels der Kinder …

 

Dieser Horrorfilm braucht keinen Nebel, keine Dunkelheit und keine Monster. Sein Grauen spielt sich am Tag und in der Sonne ab. Die Monster lächeln und singen, während sie einen mit der Sense bearbeiten.

„Ein Kind zu töten …“ ist ein wirklich (auch wenn man das nach der Inhaltsangabe kaum glauben mag) intelligent gemachter Horrorstreifen, der vom Soundtrack (der dem Film beiliegt) und den Erwartungshaltungen lebt.

Die ersten sieben Minuten zeigen Dokumentarbilder von Kindern in Auschwitz, Indien, Korea und Vietnam. Kinder sind die ewigen Opfer. Sie sind es, die unter den Gewalttaten der Erwachsenen leiden müssen. Die ersten sieben Minuten fehlten bisher in dem seit 24 Jahre indizierten Film, der einmal mehr beweist, welche irren Köpfe über Filmverbote entscheiden.

Als Bonus findet man ein Interview mit Regisseur Narciso Ibanez Serrador, der verrät, dass er die ersten sieben Minuten eigentlich ans Ende des Film hätte hängen sollen, um so die Irritation des Zuschauers zu steigern. Egal. Irritiert ist man, und das ist eine der Stärken des Films. Wer ist Opfer? Wer ist Täter? Haben die Kinder vielleicht sogar das Recht, sich der bösen Erwachsenen zu entledigen? Der Film wirft viele Fragen auf und spielt gekonnt mit den Reflexen des Zuschauers, der am liebsten aufschreien würde: Hey, Kinder tötet man nicht. Das sollten sie mal Tom erzählen. Für den geht es irgendwann nämlich nur noch ums blanke Überleben. Erinnert man sich dann wieder an die Eröffnungsbilder, kommt man aber auch in die Versuchung, ihn untergehen zu lassen.

Die Kinder im Film verstehen sich auf ihr Handwerk. Wenn die Erwachsenen nicht folgen wollen, dann kullern schon mal die Tränen und schon packt Papa nach der Hand der Tochter. Wer würde das nicht machen? Nur ein Monster würde die Hand verweigern. Jeder würde zupacken. Auf dieser Insel sollte man es lieber lassen. Es könnte die letzte gute Tat im Leben gewesen sein.

Vergleiche mit Hitchcocks „Vögel“ kann man anstellen oder lassen. Ich finde sie eher müßig.

„Ein Kind zu töten …“ ist handwerklich gut bis sehr gut gearbeitet. Zum Meisterwerk wird er allerdings erst durch die politisch äußerst unkorrekte Story. Was kann man sich mehr wünschen. Endlich wieder einmal ein Film, der einen in Mark und Bein erschüttert, weil er allen Instinkten zuwiderläuft. „Ein Kind zu töten …“ ist als Film ein Skandal, den man so vielen Zuschauern wie möglich zumuten sollte. Vielleicht ist der Film nicht für jedes zarte Pflänzchen geeignet. Aber eine kurze Schockstarre kann auch mal gut tun, um darüber nachzudenken: Was für eine Pflanze bin ich überhaupt?

Das ist nun der dritte Film des jungen Labels Bildstörung. Schön, dass es Filmenthusiasten gibt, die solche Perlen immer wieder ausgraben. Man staunt, was man alles so verpassen würde. Und dieser Film war eindeutig eine gewinnende Zumutung.

 

Guido Rohm

 

 

Titel: Quien puede matar a un nino?

Darsteller: Lewis Fiander, Prunella Ransome, Carlos Parra

Regisseur: Narciso Ibanez Serrador

Komponist: Waldo de los Rios

Format: PAL

Sprache: Spanisch (Dolby Digital 2.0 Mono), Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono), Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono)

Untertitel: Deutsch

Bildseitenformat: 16:9

FSK: Freigegeben ab 18 Jahren

Studio: Alive - Vertrieb und Marketing/DVD

DVD-Erscheinungstermin: 13. Februar 2009

Produktionsjahr: 1976

Spieldauer: 107 Minuten

DVD-Features:

• Interview mit Regisseur Narciso Ibanez Serrador

• Interview mit Kameramann Jose Luis Alcaine

• Inkl. separater Audio-CD mit dem Originalsoundtrack von Waldo de los Rios

 

 

amazon