15. Februar 2009

Es geht mir nie so gut, wie es mir gehen könnte

 

Ein Gespräch mit dem amerikanischen Krimiautor Tom Torn

Gerade ist der neue Roman „Der gute Polizist“ von Tom Torn auf Deutsch erschienen. Außerdem kommt in einigen Monaten ein Film nach einem Drehbuch von ihm in die deutschen Kinos. „Blind Dog“ handelt von einem Auftragskiller, der plötzlich erblindet. Verfilmt wurde „Blind Dog“ von Patrick Jerome, der über Torn sagte, er sei „der wildeste und verrückteste Kerl, der mir je untergekommen ist. Arbeiten ist verdammt schwer mit ihm, weil er dauernd irgendwelchen Unsinn ausbrütet.“
Torn wurde in den 80er Jahren mit seinem Roman „Geisterbahn“ bekannt. Jahr für Jahr erscheint seitdem ein Roman aus der Werkstatt des Tom Torn. Die meisten Sachen, die er geschrieben hat, waren Krimis. Nur wenige wissen, das er unter anderem auch einen Essay über Kafka veröffentlicht hat.  
Tom Torn erscheint pünktlich. Er erinnert irgendwie an Tommy Lee Jones. Sein graues Haar steckt unter einem Cowboyhut. Er trägt eine ausgewaschene Jeans und Cowboystiefel.


Rohm: Schön, dass Sie Zeit haben, Mr. Torn.
Torn: Hab ich eigentlich gar nicht. Aber was soll’s. (Er lacht schallend auf.)
Rohm: Wenige Ihrer Leser wissen, dass Sie auch einen Essay über Kafka mit dem Titel „Akte Kafka“ geschrieben haben.
Torn: Da haben Sie vollkommen recht. Das Ding hat sich bis heute ziemlich schleppend verkauft.  
Rohm: Wie gehen Sie als Krimiautor an Kafka ran?
Torn: Was für eine Frage. Würden Sie auch einen Schlosser fragen, wie er als Schlosser an Kafka rangeht?
Rohm: Wahrscheinlich nicht.
Torn: Kafka ist Krimi pur. „Der Prozess“ ist vielleicht einer der besten Kriminalromane überhaupt. Ich bewundere ihn, weil ich auch gerne mal so einen Roman geschrieben hätte. War mir aber leider nicht beschieden.
Rohm: Sie sollten nicht zu tief stapeln. Vielleicht kennt man Sie hierzulande noch nicht so sehr, aber in den USA gelten Sie als einer der besten Autoren ihrer Generation.
Torn: Die Verkäufe haben abgenommen. Leider. Vielleicht geht es mir so wie Richard Yates. Den hat ja zum Schluss auch keiner mehr gelesen, und heute wird er gefeiert. Verfilmungen spielen natürlich auch immer eine Rolle. Haben Sie „Zeiten des Aufruhrs“ gesehen?
Rohm: Nein, bisher noch nicht.
Torn: Hm. Er ist ganz gut. Aber mit dem Buch kann er nicht mithalten.
Rohm: „Blind Dog“ kommt ja bald in die Kinos. Was halten Sie selbst von dem Film?
Torn: Ich denke, er ist ganz ordentlich geworden. Patrick Jerome ist ein toller Regisseur. Er hatte diesen Film über einen transsexuellen Rechtsradikalen gemacht.
Rohm: Sie meinen „Schwarzlicht“?
Torn: Ja, den meine ich. Der Film war wirklich stark. Ich denke, Patrick war der richtige Mann für mein Drehbuch. Mal sehen …
Rohm: Schreiben Sie gerade wieder an einem Land-Roman?
Torn: Nein. Aber ich schreibe. Mein nächster Roman wird sich mit der Finanzwelt auseinandersetzen.
Rohm: Können Sie uns noch mehr verraten?
Torn: Kann ich. Es wird eine Menge Sex und Crime drin vorkommen. (Torn lacht wieder laut auf.)   
Rohm: In Ihrem Roman „Der gute Polizist“ findet man den Satz: „Die größte Gefahr des 21. Jahrhundert ist nicht der Terrorismus, sondern die Meinungsvielfalt.“ Ein gewöhnungsbedürftiger Satz. Meinungsvielfalt ist doch etwas Wertvolles.
Torn: Kann sein. Aber heute hat jedes Arschloch zu jedem Thema eine Meinung. Es ist fürchterlich. Jeder meint, seinen Senf dazu abgeben zu müssen. Ich könnte da manchmal schon kotzen.
Rohm: Aber gehört das nicht alles zur Demokratie dazu?
Torn: Kann schon sein. Aber mal die Fresse halten können, gehört auch zur Demokratie.
Rohm: Wie stehen Sie eigentlich zur Kirche. Ich habe gehört, Sie seien Katholik. Was halten Sie von den momentanen Unruhen in der katholischen Kirche?
Torn: Was soll ich da sagen? Die geben einen guten Stoff für einen Roman ab, den ich nie verkaufen könnte.
Rohm: Welche amerikanischen Autoren schätzen Sie am meisten?
Torn: Natürlich Phillip Roth. Er ist klasse. Up (Anm. d. Red.: Gemeint ist der verstorbene Autor John Updike) hat mir auch gut gefallen. Manchmal war er zu sehr auf die Sätze fixiert. Das mag ich nicht so. Bei mir steht immer die Story im Vordergrund. So gesehen, war Philip K. Dick ein hervorragender Autor.
Rohm: Dick hatte immer Geldnöte. Er soll sogar Hundefutter gegessen haben.
Torn: Und heute würde er sich dumm und dämlich verdienen. Mann, die ganzen Filme, die sie nach Romanen von ihm gedreht haben. Es ist echt verrückt.
Rohm: Wie gefällt Ihnen Deutschland, Mr. Torn?
Torn: Nichts gegen Deutschland. Aber ich bin ein echtes Gewächs aus New York. Ich fühl mich nur in Brooklyn richtig wohl.
Rohm: Stimmt es, dass Paul Auster und Sie Schreibwettbewerbe austragen? Storyduelle?
Torn: Das stimmt.
Rohm: Und wer gewinnt mehr von Ihnen beiden?
Torn: Ich natürlich. Ich entscheide mich immer für mich, und Auster ist freundlich und entscheidet sich auch für mich.
Rohm: Da sind Sie ja wenigstens ehrlich.
Torn: Als Privatperson versuche ich immer ehrlich zu sein. Das ist wichtig, weil man als Autor so viel lügt. Da muss man aufpassen, dass man die Lügen nicht mit in den Alltag nimmt.
Rohm: Apropos Alltag. Was macht die Liebe?
Torn: (Er lacht laut.) Gut, mein Lieber. Dank dieser netten blauen Tabletten bin ich mächtig gut im Geschäft.
Rohm: So, die Zeit ist leider um. Wollen Sie Ihren deutschen Lesern noch etwas sagen.
Torn: Klar. Kauft alle fleißig mein Buch. Es geht mir nie so gut, wie es mir gehen könnte.
Rohm: Danke für das Gespräch, Mr. Torn.
                         
Das Gespräch mit Tom Torn führte Guido Rohm.

 

Lesen Sie hier die Rezension zu Tom Torns neuem Roman "Der gute Polizist" >>

 

Eine Kurzgeschichte von Tom Torn aus dem Jahr 2001 lesen Sie hier >>

 

www.edition-kuratowski.de