25. Januar 2009

Geheimnisse im Wald

 

Der Wald ist dunkel und unergründlich, schlimme Dinge können dort passieren. Die Assoziationen, die wir durch Märchen und Mythen kennen und mit dem Wald verbinden, nimmt die irische Autorin Tana French als Ausgangspunkt für einen vielschichtigen Kriminalroman, der keine einfachen Lösungen bietet. Wer Krimi-Fastfood gewohnt ist, mag Probleme damit haben, dass seine Genre-Erwartungen nicht erfüllt werden. Den vom Leben gebeutelten und mit einem komplizierten, man könnte auch sagen, meistens quasi nicht-existenten Liebesleben ausgestatteten Ermittler gibt es zwar auch hier, allerdings verrät er uns schon auf den ersten Seiten, dass er gern und gut lügt. Was soll man davon halten? Und wem darf man trauen? Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint, und wie im wirklichen Leben auch, merkt man es nicht immer. Dabei ist der Fall an sich für einen Roman noch nicht allzu ungewöhnlich: Ein zwölfjähriges Mädchen wird ermordet aufgefunden, drapiert auf einem alten keltischen Opferstein, der nicht weit von der Siedlung entfernt ist, in der sie mit ihren Eltern und den beiden Schwestern gelebt hat. Was das Ganze schwierig macht, ist die Tatsache, dass der Erzähler und Ermittler Rob Ryan mit der Gegend bestens vertraut ist. Bis vor 20 Jahren hat er selbst noch in Knocknaree, der Siedlung, gelebt. Der Wald war damals dichter, reichte bis fast an die Häuser heran und hat zudem seine beiden besten Freunde verschluckt. Damals war er ebenfalls zwölf und ist als Einziger zurückgekommen, ohne Erinnerung und mit Blut in den Schuhen. Der Fall wurde nie geklärt, auch Ryans Erinnerung kehrte nie zurück. Nun gibt es Hinweise, dass beide Fälle miteinander zusammenhängen könnten. Eigentlich wäre Ryan deshalb aufgrund von Befangenheit nicht als Ermittler geeignet. Doch er verschweigt seine Verstrickung in den alten Fall, nur seine Partnerin Cassie Maddox ist eingeweiht. Im Verlauf der Ermittlungen wird er verstärkt mit alten Erinnerungsfetzen konfrontiert. Doch auch hier ist die Frage, ob er seinem Gedächtnis trauen kann.

Die Autorin gibt den verschiedenen Figuren und Handlungssträngen Raum und Zeit, um sich zu entwickeln, dabei hat sie auch vor losen Enden keine Angst. Sprachlich bewegt sie sich immer auf hohem Niveau, da macht es auch nichts, wenn die Ermittlungsarbeit teilweise nur sehr schleppend vorangeht. Schließlich ist auch das realistisch. Der geniale Einzelkämpfer, der mittels unkonventioneller Methoden früher oder später immer zum Ziel kommt, ist dagegen wahrscheinlich eher selten.

 

Katrin Zabel

 

Tana French: Grabesgrün. Kriminalroman. (In the Woods). Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, 672 Seiten, Scherz Verlag 2008

 

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