30. Oktober 2008

Textem-Lesung

Frank Witzel: Vondenloh

 

 

Mittwoch, 3. Dezember 2008, 20 Uhr, Eintritt: 5 Euro

Lettrétage, Methfesselstr. 23-25, 10965 Berlin

 

 

Frank Witzel liest aus seinem neuen Roman "Vondenloh"

 

Eine komische Kombination des Literaturbetriebskrimis mit der (zu Unrecht) anstaubenden Gattung der Dorfgeschichte: eine Jugendliebe, ein gigantischer Wal, der beginnt, gehörig zu stinken, außerdem entkommen die Psychoanalytiker Ernest Jones, Jacques Lacan und Wilhelm Reich knapp einem gefährlichen Sturz, und eine riesige Wachsstatue des Reichsführers Himmler offenbart ihr Innenleben, was alles zusammenhängt mit der extravaganten Schriftstellerin, die offensichtlich gehörige Probleme mit dem Älterwerden hat.

 

Als Bonbon gibt es im Anschluss an die Lesung von Frank Witzel noch eine Kurzgeschichte, verfasst und vorgeführt von Martin Lechner.

 

Wer wissen will, wie verrückt die junge deutsche Literaturszene ist, sollte Frank Witzels "Vondenloh" lesen, rät Hadayatullah Hübsch.

Der in Offenbach lebende Autor Frank Witzel, trotz zweier Romane bislang Geheimtipp, zieht auf faszinierend-überkandidelte Art das Getue um Autoren durch den Kakao. Immer wieder überschreitet er die Grenzen zwischen realistischer und satirischer Darstellung.

 

Ingo Schulze in 3Sat Kulturzeit (14. 8. 2008): Lesen Sie Frank Witzel!

 

Frank Witzel, 1955 in Wiesbaden geboren, ist u.a. Autor der Romane "Bluemoon Baby" (2001) und "Revolution und Heimarbeit" (2003). Nähere Auskünfte über Autor und Werk enthält der dokumentarische Anhang des neuesten Romans "Vondenloh".

 

Vondenloh

 

 

 

 

SANKT REMONDIS, Erzählung von Martin Lechner

 

Statt aufzustehen, will er lieber liegen bleiben, auch wenn es ein Müllkäfig ist, in dem er eben erwachte, und er nicht mehr weiß, woher er kam noch wer er war. Liegenbleiben, aber wie lange denn? Nun, vielleicht so lang, bis ihm Gott, der ihn womöglich aufgelesen und wo auch immer wieder niedergeworfen hat auf die Erde, vielleicht zur Prüfung, mitteilt, was genau die Aufgabe ist, seine persönliche Aufgabe. Dann aber kommt die Müllabfuhr, zieht ihn auf die Straße, erschrickt über die Lebendigkeit der vermeintlichen Leiche und stellt ihn auf die Beine, die allerdings noch schwach sind, äußerst schwach. Kaum dass er in den Supermarkt, der auf der anderen Straßenseite schon seit dem Morgen bläulich leuchtet, gerät, da randaliert er schon. Er hörte nämlich die Schmerzensschreie vierzig grüner Bohnen, eingesperrt in einer Dose aus Metall. Später fährt ihn der Wachschutz hinunter in die Stadt. Jetzt wirft er sich aus dem Wagen, wird angefahren, überfahren, liegt zerstört am Straßenrand. Kurz und gut, die Kette der Leibeszerstörungen setzt sich fort, genauso wie die Sprache weiter verstrudelt, verstottert, verströmt. Mehr und mehr hält er sich für einen Heiligen, sein Äußeres verkommt. Später steigt er auf portugiesisch wirkende Obstkisten und erklärt zum wiederholten Mal, die Menschen, sie mögen sich auf den Rücken legen, und zwar ins Dunkel, still auf den Rücken ins Dunkel.

 

Martin Lechner, geboren 1974, lebt in Berlin. 2005 Einladung zum Wettbewerb des Literaturfestivals Prosanova. 2006 Alfred-Döblin-Stipendium, Teilnahme am 14. Open Mike. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (Bella Triste, Entwürfe u.a.) sowie die Erzählung "Bilder einer Heimfahrt" im Hamburger Textem Verlag.

 

Bilder einer Heimfahrt

 

 

 

 

Weitere Pressestimmen

 

 

Zwerchfellerschütternd

 

Der in Offenbach lebende, 1955 geborene Autor, trotz zweier Lyrikbände und zwei Romanen bislang Geheimtipp, zieht auf faszinierend-überkandidelte Art das Getue um Autoren durch den Kakao. Immer wieder überschreitet er die Grenzen zwischen realistischer und satirischer Darstellung. Er berichtet von den katastrophalen und auch das Zwerchfell immer wieder erschütternden Ereignissen um die gefeierte Schriftstellerin Bettine Vondenloh, deren Schulkamerad der Held Witzels war. Wie er von sanfter Karikatur zur grellen Ironie wandelt, ist beißend und entzückend zugleich. Der Kult um die ins Unermessliche gelobte Romanautorin ist so grotesk wie die Wirklichkeit. Witzel spart nicht mit Anspielungen und feinen intellektuellen Seitenhieben auf den Literaturbetrieb hierzulande. Das alles ist sehr elegant geschrieben, voller Raffinesse und bisweilen so humorvoll wie ein Nestroy unserer Tage. In das Zielfeld des mit üppigem, pseudowissenschaftlichem Anhang wunderbar ausgestatteten Buches geraten etliche Prominente unseres Zeitgeistrummels, deren Bauchnabelphilosophie er sensibel und respektlos parodiert. Kein Wunder, dass ihn Ingo Schulze all jenen zu lesen empfohlen hat, die eine einfache Geschichte auf überdrehte Art genießen wollen. Dabei hat dieser intensive, ausgeklügelte Text durchaus den Anspruch, nach dem doppelten Boden dessen zu fragen, was wir als Realität wahrnehmen.

 

Frank Witzel: «Vondenloh». Textem-Verlag 2008, 220 S., 18 Euro

amazon

 

Hadayatullah Hübsch, Frankfurter Neue Presse 30. 10. 2008