25. Oktober 2003

Auferstehung eines Federviehs

 

 

Jackson Santee gerät im April 1878 verspätet im Zuge des Goldrausches nach Kalifornien und schlägt sich redlich durch. Nach mehreren gescheiterten Ehen, dem Herumtreiben in Hurenhäusern und Pokerrunden und der Erfindung eines ganz wunderbaren Whiskeygetränks entscheidet er sich bereits im stolzen Alter von fast 80 Jahren, seinen verwaisten Enkel zu adoptieren, natürlich nicht ohne den Hintergedanken, im gleichen Zuge an das stolze Erbe des jungen Mannes zu kommen. Daran kann schließlich Fräulein Emma von der Abteilung Soziales auch nichts mehr ändern. Großvater und Enkel ergänzen sich in ihrer nicht nur äußerlichen Unterschiedlichkeit hervorragend. Schließlich kommt es sogar dazu, dass sie gleichsam als Ausdruck ihrer familiären Liebe zueinander erfolgreich ein kleines Entlein zu einem tonnenschweren Vogel mästen.

 

Wunderbar gleitet man lieblich durch die Gleichmäßigkeit der Erzählung vom Leben von Großvater Jack und seinem Enkel. Man empfindet Spaß und Sehnsucht. Mit dem entschiedenen Gefühl, sich in einer realen Geschichte zu befinden, werden doch jegliche Absurditäten in gängiger Normalität unterbreitet. Diese reichen von Skurrilitäten wie der Vorliebe zum akribischen Aufstellen nutzloser Zäune („Wenn du nichts einzäunst, grenzt du vielleicht etwas aus“) bis hin zu mythologischen und biblischen Metaphern. Nützlich dabei sind natürlich auch die Weisheiten eines alten indianischen Schamanen und das ewige Leben versprechende Zauberwasser von Großvater Jack.

 

Für den Leser ist der wöchentliche Autokinobesuch gemeinsam mit der Ente von Anfang an Normalität, nur für die Kassiererin und den Betreiber des Kinotheaters nicht. Die Ente „Fup“ gerät immer mehr in das Zentrum des Geschehens. So gewinnt der Schluss der Erzählung dann einen nahezu religiös fabelhaften Ausklang, in dem sich die eigenartige Konstellation in der sich Großvater Jack, dem ewigen Leben nahe, der Enkel Tiny, der im Gegensatz zu seinem Spitznamen sehr groß und kräftig ist, der massige Vogel „Fup“, der nicht fliegen kann, und ein alternder altersschwacher Eber befinden, in einer sagengleichen Ereigniskette nahe dem ewigen Frieden für alle Beteiligten auflöst.

 

Eine Geschichte bestimmt vom sprachlichen und inhaltlichen Doublebind. Eine Erzählung als Hypomochlion zwischen Realität und Fantasie.

Wenn es diese unsägliche Kategorie von „Märchen für Erwachsene“ gibt, dann wünscht man sich, dieses Buch als Großvater von seinem Enkel vorgelesen zu bekommen.

 

„Fup“ von Jim Dodge aus dem amerikanischen Englisch von Harry Rowohlt, Piper Verlag 2002, Originalausgabe 1983 City Miner Books