17. September 2008

Bauer Sisyphus

 

Ja, es gibt sie noch, diese Bücher, die einen wirklich begeistern. „Oben ist es still“ von Gerbrand Bakker ist so eins. Und das, obwohl das Thema eigentlich etwas spröde wirkt. Ein ältlicher Bauer schafft seinen Vater nach oben in den ersten Stock und richtet sich das Erdgeschoss neu ein. Helmer van Wonderen, der Protagonist, der da auf- und umräumt, ist zwar Bauer wider Willen, aber als wortkarger Vertreter seiner Art vermutlich gar nicht so untypisch. Man sieht ihn bildlich vor sich, wie er da zwischen Kuhstall und Misthaufen hin- und herstapft und die notwendigen Arbeiten verrichtet. Die Arbeit eines Bauern erinnert immer ein bisschen an Sisyphus, alles wiederholt sich ewig, aber nichts ändert sich wirklich. Noch nicht einmal wegfahren kann man. Und leider ist es auch nicht möglich, den nicht gelebten Träumen zu entfliehen. Das wird Helmer deutlich, als er einen Brief der ehemaligen Verlobten seines Zwillingsbruders bekommt. Henk ist schon lange tot, aber Riet lebt und möchte ihn treffen. Noch dazu hat sie einen Sohn, der ihr Kummer bereitet.

Der von Gerbrand Bakker in knapper Sprache erzählte Roman zieht den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann. Auch wenn die Niederlande nicht gerade für ihre geringe Bevölkerungsdichte bekannt sind, entsteht das Bild einer fast leeren Landschaft, nur bevölkert von wenigen skurrilen Menschen, die umgeben sind von Milchkühen, Texelschafen, einer plötzlich auftauchenden Nebelkrähe, die den nicht sterben wollenden Vater von Helmer sehr beunruhigt, und zwei Eseln, die Helmers einzigen Akt der Rebellion in den vergangenen 30 Jahren darstellen. Helmers Leben auf dem Hof wird trotz aller Sparsamkeit so poetisch schön und anrührend erzählt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Bakker gelingt es, mit verhaltenem Humor an die großen Fragen des Lebens zu erinnern und zu zeigen, dass alles irgendwie zusammengehört, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennbar ist. Man könnte das Buch trotz des Protagonisten fortgeschrittenen Alters als Coming-of-Age-Roman bezeichnen, da Helmer erst am Ende erkennt, was ihm wirklich fehlt.

 

Katrin Zabel

 

Gerbrand Bakker: Oben ist es still. Roman, 316 Seiten, aus dem Niederländischen von Andreas Ecke, Suhrkamp Verlag 2008

 

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