28. Mai 2008

Reader zur laufenden Debatte


Motiv vom Cover eines Verlagsprospektes des MaD-Verlags (bald Edition Nautilus) aus der Mitte der 70er Jahre (Kommentar zur Textillustration*)

 

 

There is a crack in everything

thats how the light gets in

 

Beobachtungen zur Textsammlung

Bildtheorie von William James Thomas Mitchell

 

Ein schwarzer Einband, darin einige wenige weiße Zeichen: leuchtende Augen, Mund, Hände, eine Maske vielleicht, ein geschminktes Gesicht und weiße Handschuhe, eine Figur, die den Betrachter direkt anspricht, aus dem Ungewissen der Nacht oder einem dunklen Bühnenraum heraus, ihn greifen oder von ihm ergriffen werden will, etwas verloren wie ein Clown ohne Chance auf Applaus, ein Spiegel des unbekannten Gegenüber, des Kunden, der den Gegenstand nehmen soll: das neue Buch auf dem Warentisch. Bildtheorie von W.J.T. Mitchell wurde in diesem Frühjahr ausgeliefert wie der Reader zur laufenden Debatte, ist näher besehen jedoch ein überfälliges Unternehmen, denn schon 1992 hatte der amerikanische Autor mit seinem Text „Pictorial Turn“ das Stichwort zu der Auseinandersetzung gegeben, die seitdem auf der Grenze zwischen Wort und Bild für Unruhe sorgt. 1997 lag „Pictorial Turn“ in einer deutschen Übersetzung vor; dann aber hielt hierzulande ganze zehn Jahre lang niemand es für angebracht, weitere Beiträge von dem Theoretiker zur Verfügung zu stellen, dessen Begriff in aller Munde ist. Nun gibt es endlich die erste umfangreiche Sammlung, verbraucherfreundlich und trotzdem lesenswert, sogar weit mehr als das. Zunächst allerdings ein, zwei Irritationen: Warum beispielsweise sind nirgendwo im Buch die Vornamen von „W.J.T. Mitchell“ zu finden? Buchstäblich in der letzten Sekunde fällt dann doch noch ein Name: mit den Worten „das Arbeitsgebiet von Tom Mitchell“ besiegelt der Herausgeber seinen nachgestellten Beitrag. Da kommt gleich alles zusammen: Territorium, Arbeit, Name, Punkt – eine unangenehme Einhegung.

Kurios ist auch, dass das 7. Kapitel des Buchs sich wie der kommentierte Lehrplan zu einem neuen Studiengang, zum Fach Visual Culture, liest. Sicherlich hat der Text „Was ist visuelle Kultur?“ mehr als einen gewissen Gebrauchswert für Universitätskommissionen; er macht immerhin klar, worum es Mitchell „im Rahmen“ der Institution gegangen wäre oder wie „leicht“ manche Schritte in der Praxis sein könnten, und vermutlich beruhigt die Verbindlichkeit der Notizen, 15 Jahre nachdem sie verfasst wurden, die Gemüter, die auf dem rostigen Kahn der Lehre tagtäglich Kurs halten müssen. Aber abgesehen von diesem Nutzen hätte ein so detailliertes Diskussionspapier eher in einem Fachblatt seine Berechtigung. In der ersten größeren Publikation, die den Autor dem deutschen Publikum vorstellen soll, wirkt der sehr organisatorische Beitrag zunächst jedenfalls etwas deplatziert ... er wirkt wie eine bildungspolitische Intervention des Verlags oder Herausgebers.

Kommt noch hinzu, dass gerade dieser Text, der wie kein anderer in dem ganzen Buch unmittelbar mit Konsequenzen in der Wirklichkeit zu tun hat, das Dokument einer bemerkenswerten Zurückweisung ist. Mitchell sah sich in der Faculty Working Group on Visual Culture, die im Sommer 1993 an der Chicago University zusammengetreten war, mit seinem kleinen Beitrag unversehens isoliert: Der „Vorschlag, einen eventuellen Kurs in Visueller Kultur mit einem Lehrplan auszustatten, [...] stieß bei den meisten Teilnehmern [...] auf entschiedene Ablehnung. Die vorliegenden Bemerkungen wären also als etwas wie ein misslungener Versuch eines Manifests zu verstehen.“ (S. 237)[1] Größer kann die Überraschung zwischen Ruf und Echo wohl kaum sein: vom Entwurf eines Manifests zum klaren Nein der angesprochenen Gruppe.

Eigentlich sollten alle Gedanken des Buchs durch dieses Nadelöhr gezogen, sollte jeder einzelne Faden seiner Argumentation in der Reibung mit dieser Fehlstelle gedacht werden ... nicht im Sinne eines Appells, die verpasste Chance nun wieder aufzunehmen und das neue Fach endlich einzurichten. Immerhin geht es hier um Texte eines Wissenschaftlers, der seit Langem als Professor an amerikanischen Universitäten lehrt (zuerst an der Ohio State University, zurzeit an der Chicago University) und seit 1978 Herausgeber der Zeitschrift Critical Inquiry ist. In dieser Hinsicht muss nichts geflickt werden. Mitchells Gedanken aber transportieren das Bewusstsein oder die Drohung ihrer Verwerfung unterschiedlich deutlich und prononciert; daher ist es hilfreich, diesen konkreten Fall als ein Zeichen im Auge zu behalten. Wir finden in dem Buch beispielsweise die Spuren des Einspruchs der Zeitschrift October, deren Herausgeber zu Recht um ihren Thron in der Sprache und über dem Bild fürchten, oder verschiedene Hinweise auf die ganz normalen Grenzen des Forschungsalltags: jene allzu bekannte Mischung aus Unvermögen, Angst und Ignoranz, die so wunderbar für einige Verantwortliche (und ihre Verwendung) in den Institutionen funktioniert, weil sie sich ganz und gar den Interessen der Verwaltung und Kontrolle andienen können; leichter Hand gehen sie über die Forderungen der wissenschaftlichen Neugier und das Erkenntnisinteresse hinweg, da diese Ansprüche ihr Mittelmaß ohnehin stören würden. Leichten Herzens stutzen sie den Gegenstand der Forschung auf das Maß der gekürzten Etats zurecht. Das sind auch die Bedingungen für Mitchell, und bis zu den Durststrecken, Auslassungen oder Lücken in seiner eigenen Argumentation ist ihr „Beitrag“ zu spüren. 

Sprechen wir zunächst über diese Seite, das Buch und die Universität. Als Grundlage für die dort übliche Lehre ist es bestens geeignet. Mitchell resümiert die Forschungssituation souverän, mit sicherer Hand und vor allem sehr transparent, was bei dem Gegenstand keineswegs selbstverständlich ist. Im Spiegelsaal der Linguistik glaubt so mancher Autor, wenn die wissenschaftliche Prosa nicht unverständlich bleibe, verrate sie die Komplexität der Sache. Mitchell hingegen will in seiner Verständlichkeit und in seinem Verständnis hin und wieder allzu korrekt sein. Alles, was neuerdings gut und trocken ist, kommt bei ihm zu seinem Recht: Cultural studies, gender, postcolonial, race ... Und er referiert etliche interessante Untersuchungen, die in den letzten Jahren zum Thema Bild, Text, Film, Kunst, Sprache, Massenkultur usw. herausgekommen sind; sehr gewissenhaft, geradezu wie für ein Handbuch, vermisst er das Feld. Entschieden widerspricht er im Zuge dieser Sichtung jeder Andeutung des Wunsches, zu den alten Meistererzählungen zurückzukehren, oder der Sehnsucht nach einer endgültigen Übersicht, und dennoch entwirft er seinen eigenen Weg fast wie einen Masterplan. Dabei entsteht zunächst der Eindruck, dass es allein um die Gewinnung von „Lehrstoff“ oder eine entsprechende Aufbereitung gehen soll, und in diesem Moment wirkt sein Gang durch den Bestand des Wissens dann doch etwas zu professoral. Einige Zwischenbemerkungen lassen jedoch eine andere Bewegung erkennen, und bald wird sie unmittelbar zum Gegenstand, wird klar, dass er sich mit einer gewissen Universalität bewaffnet, um mit einer allgemeineren Kritik durchzukommen. Mitchell zielt nicht nur auf die Bedingungen, unter denen die Vermittlung des Wissens heute leidet. Vorbei an den „schläfrigen Gefilden der akademischen Kunstgeschichte“ (S. 369) nimmt er eine Grundfigur der dort herrschenden Wissenspflege ins Visier: die Angst vor dem Bild; diese Angst macht er als das Motiv der Bewegung aus, was wir unter dem Begriff „linguistic turn“ zusammenzufassen gelernt haben.

Wie schlecht die Ausgangsbedingungen an den Universitäten sind, ist in dem Buch immer wieder nebenbei spürbar, und ihnen sollte auch zugeschrieben werden, dass in der Werkstatt von Mitchell leider – und zu seinem eigenen Nachteil – einige Namen fehlen. Im Rahmen einer Bildtheorie, die dem Bild mehr Raum und Gewicht verschaffen möchte, wären gerade die Erkenntnisse von Otto Paecht, Aby Warburg und Edgar Wind besonders hilfreich gewesen. Jeder dieser Forscher entwickelte gewissermaßen im Gründungsmoment oder im Grundstoff der „Kunstgeschichte“ eine Perspektive, die nicht mit einer territorialen Pflege ihrer Grenzen zu vereinbaren ist.[2] Gustav Frank, der Herausgeber der deutschen Textauswahl, bringt in seinem Nachwort zumindest Warburg ins Gespräch oder besser gesagt: Er spricht ein wenig von denen, die sich dessen Sache zu Eigen gemacht haben.[3] Frank möchte vor allem den Stand der Diskussion am Hof der deutschen Universitäten aufmachen; dort soll die Forschung von Mitchell nun ankommen, und das wird ohne Zweifel passieren, auch wenn die Lage – schon wie Frank sie skizziert – desolat zu sein scheint. Viele Rufer in diesem Forum – wenn es denn ein solches überhaupt noch ist – proklamieren ihre improvisierten Stichworte, als sollte niemand sie hören. Gleichermaßen gedämpft war ihr Protest, als die Lehre in den letzten 15  Jahren vom Kontrollwahn überwuchert und systematisch ruiniert wurde. Die Stagnation in der Forschung und die geringe „politische“ Widerstandskraft sind im Übrigen zwei Seiten derselben Medaille. Hier wie dort verweist die Schwäche auf ein fatales Desinteresse an den „kollektiven“ Bedingungen der Forschung, also an der Garantie all jener Voraussetzungen, die nicht unbedingt zur „individuellen“ Karriere führen und aus ihrem Bereich erfahrungsgemäß auch nicht verteidigt werden (an dieser Stelle wird das so gern beachtete Maß der „scills“ oder handwerklichen Fähigkeiten stumpf, denn es will den Erfolg der Forschung immer nur am Nutzen eines Einzelnen prüfen und arbeitet dem Kontrollwahn zu, ohne Mittel gegen die zerstörerische Funktion, die dem Interesse an Kontrolle im Rahmen der „Universitätsreformen“ zukam). 

Mitchells Buch dokumentiert einen anderen Umgang mit den Realitäten. Er beschwört das „Bild“ nicht wie ein Kunsthistoriker, der sein Erbe plötzlich in der Gegenwart antreten will, es aber immer noch wie einen Druck aus der ersten industriellen Revolution anschauen möchte. Daher fällt es ihm nicht schwer, von anderen Zeiten zu sprechen: „Marshall McLuhans ‚globales Dorf‘ ist heute ein Faktum und beileibe kein besonders tröstliches. CNN hat uns gezeigt, dass eine scheinbar aufmerksame, gebildete Bevölkerung (zum Beispiel die amerikanische Wählerschaft) die Zerstörung einer ganzen arabischen Nation als kaum mehr denn ein spektakuläres Fernsehmelodram inklusive der simplen Erzählung vom Triumph des Guten über das Böse und einer raschen Auslöschung aus dem öffentlichen Gedächtnis erleben kann. Noch bemerkenswerter als die Macht der Medien, ‚eine liebenswürdigere, gütigere Nation‘ die Zerstörung unschuldiger Menschen ohne Schuld und Reue akzeptieren zu lassen, war ihre Fähigkeit, das Spektakel dieser Zerstörung dazu zu verwenden, jedwede Schuld oder Erinnerung an einen früheren Krieg auszutreiben und auszulöschen. Wie George Bush so treffend gesagt hat: ‚Das Gespenst von Vietnam wurde für immer im Wüstensand der Arabischen Halbinsel begraben.‘“ (S. 107)

Wer seine Umgebung nicht nur so klar erkennt, sondern auch so klar beschreibt und das nicht sonderlich „tröstliche Faktum“ als Teil seines Gegenstands begreift, der muss mit Widerstand rechnen, gerade bei denen, die eine privilegierte Position im Gebäude des Wissens innehaben. Vor diesem Hintergrund – der Frage, wie heute Bilder die Fabrikation und Sicherung von Macht begleiten – könnte der kommentierte Lehrplan für Visuelle Kultur durchaus wie das Programm eines think tanks gelesen werden, der im Krieg der Bilder das Hauptquartier im eigenen Land anzugreifen plant. Im Gegensatz zu denen, die das Elend an den Universitäten mit ihrer täglichen Arbeit gegenzeichnen und den Trott der öffentlichen Lenkung des Denkens wie weise Schafe begleiten, geht es Mitchell um die Basis seiner Forschung in der Gegenwart, ihr Verhältnis zur laufenden Realität. Und er macht noch mehr. In dem Text „Interdisziplinarität und Visuelle Kultur“ schreibt er: „Mein wirkliches Interesse galt mit anderen Worten weniger der Interdisziplinarität als vielmehr Formen der ‚Undiszipliniertheit‘, den Turbulenzen und Inkohärenzen an den inneren und äußeren Grenzen der Disziplinen.“ (S. 265)

Vielleicht erklärt dieses Bekenntnis die vielen kleinen Irritationen, die das Buch begleiten. Auch Frank nimmt die Disziplinlosigkeit des amerikanischen Professors mit – gelinde gesagt – gemischten Gefühlen auf: Nachdem er zunächst durchbuchstabiert, was Mitchells „Interesse“ im Rahmen der Disziplinen wohl herausfordern müsse (mit anderen Worten: Er führt eher verständnisvoll die drohenden „Sanktionen einer Scientific Community“ ein), hat er auch noch eigene Bedenken anzumelden: „Riskant ist diese Undiszipliniertheit auch, weil sie, wenig abgesichert, am Gegenstand scheitern und ihn verfehlen kann.“ (S. 476) Wer hätte das gedacht! Seit wann aber ist das mögliche Scheitern ein Hinderungsgrund für den Beginn eines Projekts? Und wohin will er mit seinem „wenig abgesichert“, wenn gerade die Versprechungen des gesicherten Wissens infrage stehen? Mitchell geht unterdessen weiter: „Wenn die Tiger zu regelmäßig in den Tempel einbrechen und den Altar entweihen, wird ihr Auftauchen rasch zum Teil des heiligen Rituals. Dennoch gibt es, ehe sich Routine und Ritual erneut durchsetzen, einen Moment des Chaos und des Staunens, in dem sich eine Disziplin, eine Art etwas zu tun, zwanghaft in ihrer Unangemessenheit[4] offenbart.“ (S. 266) Diesem Gefühl der Unangemessenheit möchte Herr Frank – „besser abgesichert“ – wahrscheinlich nicht begegnen, obwohl Erfahrungen dieser Art zur Alltagswelt im Elfenbeinturm gehören wie die Spatzen, die darüber ihre Witze vom Dach pfeifen.

Für Mitchell hat das „Gefühl“ offensichtlich eine besondere, eine ernstere Bedeutung. Er formuliert es nicht nur; er steuert mit seinem Unbehagen ganz bewusst gegen die eigene Funktion, gegen die innere Logik der Institution, und mobilisiert den Zweifel an ihrer „Sicherheit“. So ist es letztlich kein Zufall, dass Mitchell sich das Bild in einer Weise zum Thema macht, wie andere es nicht nur meiden, sondern sogar bekämpfen. Er sieht dort eine besondere Energie, eine Gegenmacht, etwas Beängstigendes auch. Dieses „Gefühl“ hat ihn in der Theorie weitergebracht als all jene, die Angst vor Bildern haben und diese Angst nicht benennen können oder sich mit ihr im Text besser aufgehoben fühlen. Mitchell durchleuchtet verschiedene Möglichkeiten der Aufladung des Bildes und scheut dabei nicht einmal Totemismus oder Animismus. „Die Analogie zwischen Bildern und lebenden Organismen ist demnach nicht meine Erfindung. Sie hat bereits einige Jahrtausende menschlicher Geschichte hinter sich. Mein einziger Beitrag ist, sie zu aktualisieren und in den neuen Kontext biologischer Wissenschaft und evolutionären Denkens einzufügen. Ohne Zweifel wird dieser Schritt Ihnen Angst machen. Mich jedenfalls lässt er nachts nicht schlafen. Die Vorstellung von Bildern als lebenden Gattungen ist für Kunsthistoriker sehr beunruhigend.“ (S. 290) So kommt Mitchell zu einer grundsätzlich anderen Rolle für das Bild. Er macht es zu einem dynamischen Element, und er will – das unterscheidet ihn von den meisten seiner Kollegen – die Forschung mit dieser Dynamik in Berührung bringen. „Bilder nehmen am Spiel der Bildung und Veränderung von Werten aktiv teil. Sie können neue Werte in die Welt einführen und dadurch alte bedrohen.“ (S. 310) Die Grenzüberschreitung, die Mitchell an dieser Stelle vorbereitet, führt letztlich auf das Gebiet der Künstler, dorthin also, wo die Kunst nicht von außen – und ohne das Bewusstsein der eigenen Angst – sondern in erster Linie von innen und mit den möglicherweise dämonischen Kräften begriffen wird, als ein Medium des Kampfs um das Leben in der Gegenwart. Es ist nur zu begrüßen, wenn die Überschreitung der Wissenschaft Richtung Kunst nicht mehr zu Lasten der Bilder geht. Das war in der Epoche des linguistischen Regimes die Regel und hat genügend Kunst nach sich gezogen, die nur als Illustration der Herrschaft des Textes gelesen werden kann.

 

Roberto Ohrt

 

 

W. J. T. Mitchell: Bildtheorie, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Gustav Frank, Suhrkamp 2008, 497 Seiten, Gebunden, 32,80 Euro

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

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* Kommentar zur Textillustration: Der von den Situationisten beeinflusste Verlag konnte sein Buch-gleich-Warenprogramm bzw. ein unternehmerisches Engagement nicht ohne Begründung und Selbstvergewisserung betreiben. Vor allem im Hinblick auf die ikonoklastische Kritik an der Kunst (Bild-gleich-Ware, ein unerschütterlicher Grundsatz im situationistischen Kosmos, wo Situation-gleich-Verweigerung-eines-verwertbaren-Objekts regierte) musste für das Medium Buch so etwas wie eine Ausnahmereglung gefunden werden: Es transportiert also die Kritik (was die Bilder natürlich für sich auch hätten geltend machen können). Kommt hinzu, dass selbst in der Fortschrittlogik des Kapitalismus das Buch als eine Ware mit besonderem Charakter begriffen werden musste, lag doch seit Gutenberg in der Buchproduktion der Entwurf für die industrielle Massenproduktion und das Fließband vor.

 


[1] Die Seitenzahlen in Klammern verweisen immer auf Bildtheorie von W.J.T. Mitchell. Manches wackelt in der Übersetzung, in diesem Zitat gleich zwei Mal: Ein „eventueller Kurs“ – das ist nicht sehr glücklich übersetzt, hier auf der Kippe zum Unmöglichen – und genauso ist es mit: „also als etwas wie ein misslungener Versuch“.

 

[2] Ich kenne seine anderen Bücher nicht, muss aber vermuten, dass zumindest Wind und Paecht auch dort nicht zu Rate gezogen wurden. Wie sehr ihre Forschung Mitchell entgegenkommt, teilen schon zwei Titel mit: Heilige Furcht von Edgar Wind erscheint im Herbst 2008, Am Anfang war das Auge hieß eine Festschrift zum 100. Geburtstag von Otto Paecht.

 

[3] Und die beantworten müssten, warum Warburgs Forschung immer noch so schlecht zugänglich ist. Nehmen wir nur seinen legendären Bilderatlas: Die erste Edition dieses Hauptwerks von Warburg hat ohnehin erstaunlich lange auf sich warten lassen. Seit einigen Jahren ist es endlich zugänglich, allerdings auf dem Stand einer Technik, wie er bestenfalls vor 50 Jahren angemessen gewesen wäre; weder die Bilder noch Warburgs Anliegen kommen in der vorliegenden Form zu ihrem Recht – das wird mit dieser Edition eher verhindert.

 

[4] Mir liegt leider nicht der amerikanische Text vor, aber wahrscheinlich hat der Übersetzer den Gedanken nicht richtig einordnen können. Ich vermute, es war gemeint: „zwangsläufig ihre Unangemessenheit offenbart“.