30. April 2008

New Yorker Geschichten

 

Die Straßenfotografin Helen Levitt zeigt seit Jahrzehnten das ungeschminkte Gesicht der einfachen Leute

 

Ein Pudel hebt ein Bein, um sein Frauchen anzupinkeln, ein junges Mädchen mit Lockenwicklern auf dem Kopf geht mit entschlossenem Blick über die Straße, eine dicke Frau quetscht sich mit ihren Kindern in eine Telefonzelle, kleine Jungs mit zerrissenen Hosen schauen mit gezückten Spielzeugpistolen um die Ecke: Wer New York einmal anders kennenlernen möchte, sollte sich die Fotografien von Helen Levitt anschauen, die noch bis zum 25. Mai 2008 im Sprengel Museum Hannover gezeigt werden. Die Bilder der amerikanischen Fotografin sprechen für sich, sie benötigen weder Bildunterschriften noch eine genaue Zeitangabe. Entstanden sind sie vornehmlich in den dreißiger bis achtziger Jahren in Spanish Harlem und der Lower East Side und egal ob in Schwarzweiß oder Farbe zeigen sie, wie nah Skurriles und Tragisches nebeneinander existieren. Levitt, deren Hauptinteresse immer dem perfekten Foto und nicht den Geschichten der abgebildeten Menschen galt, wahrt dabei die Würde ihrer Protagonisten – vielleicht gerade wegen ihrer Distanz zu ihnen. Doch die Fotos sind mehr als nur brillante Momentaufnahmen, sie dokumentieren sowohl die äußerliche als auch die kulturelle Veränderung der Stadtviertel. Vielleicht ist es ja nur ein subjektiver Eindruck, aber auf den neueren Farbfotografien tauchen weniger Kinder auf, stattdessen aber oftmals verloren wirkende alte Menschen. Die Straße ist heute weder Spielplatz noch verlängertes Wohnzimmer mehr.

 

Katrin Zabel

 

Helen Levitt: Fotografien 1937-1991. Hatje Cantz Verlag 2008. 168 Seiten.

 

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