24. März 2008

Autobiografievermeidung

 

„Mein vollkommenes Unvermögen ... ließ mich zur Legende werden“, schreibt P.G. Wodehouse über seine ungeliebte und dann schließlich abgebrochene Banklehre. Und auch seiner anschließend mit Vehemenz und titanischem Selbstbewusstsein angegangenen Schriftstellerkarriere ist kein Blitzstart beschieden. Man hat in den Londoner Zeitungs- und Zeitschriften-Redaktionen Anfang des 20. Jahrhunderts auf seine noch tief im 19. steckenden Humoresken keineswegs gewartet. So nach und nach bekommt er dann aber doch einen Fuß in die Tür. Man überlässt ihm eine satirische Kolumne; bald darauf zieht er um nach New York, hält sich mit Geschichten für Pulp-Magazine mehr schlecht als recht über Wasser, verdingt sich zudem als Theaterkritiker für „Vanity Fair“, um dann „Something Fresh“, das erste Buch seiner später berühmten Blandings-Castle-Saga, der „Saturday Evening Post“ als Fortsetzungsroman zu verkaufen. Von da an ist er ein gemachter Mann, ein Bestseller-Autor, nicht zuletzt weil er geschäftstüchtig und auch literarisch unambitioniert genug ist, sein einmal gefundenes Erfolgsrezept nicht mehr aufzugeben. Sein vielbändiges Werk kennt im Grunde nur ein Thema: diese auch damals schon fast versunkene Welt der englischen Herrenhäuser mit ihrem leicht debilen Grafen (Bertie Wooster) und gewitzten, lebensklugen Butlern (Jeeves), die Wodehouse immer wieder satirisch, aber doch zugleich liebevoll-warmherzig, leicht betulich und Stereotypen durchaus nicht scheuend umkreist.

Viel mehr ist aus diesen „Autobiografischen Abschweifungen“ an hard facts nicht herauszuholen. Nichts von seiner Zeit in Frankreich, von seiner Internierung in deutschen Gefangenenlagern während des 2. Weltkriegs; nichts von seiner anschließenden Radioarbeit für die Nazis – „Reiner Wein“ ist vor allem eine ironisch-digressive, offenbar an Laurence Sterne geschulte Autobiografievermeidung. Dafür profiliert er sich einmal mehr als stilistisch eleganter und vor allem ungemein witziger Causeur, der – immer gentlemanlike und altersmild – über die ungehobelten Manieren des gemeinen Amerikaners lästert, das Fernsehen verdammt, die zunehmende Bedeutung von amourösen Verwicklungen im Kriminalroman beklagt usw. Es geht hier eigentlich um nichts, um nichts als seine distinguierte, distanzierte, aber doch auch menschlich-empathische Haltung zur Welt. Und in diesem Sinne ist „Reiner Wein“ denn doch ein sehr ehrliches, persönliches Buch. Wodehouse macht aus seinem existenziellen Konservatismus keinen Hehl, wie er überhaupt mit sich selbst – und auch mit seiner Position als Autor – absolut im Reinen ist: „Die letzten zwölf Vorabdrucke trugen mir je 40 000 Dollar ein, was natürlich ganz hübsch war und mir sehr zupaß kam. Dennoch habe ich nie vergessen, daß ich es mit den echten Schwergewichten nicht aufnehmen kann. Wie Jeeves bin ich mir meiner Stellung wohl bewußt, und die ist unten am Tisch bei den Küchen- und Lausejungen.“

 

Frank Schäfer

 

P.G. Wodehouse: Reiner Wein. Autobiographische Abschweifungen. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2007. 215 S. 19,95 Euro

Cohen+Dobernigg Buchhandel

amazon