16. September 2007

Nervtötend

 

 

Man bleibt ein Knecht seiner Idiosynkrasien, schreibt Thomas Glavinic in seinem letzten Roman, und ich will gerne wissen, ob der fabelhafte Robert Menasse, der Autor der fein schwurbeligen Romane wie »Sinnliche Gewissheit«, »Selige Zeiten, brüchige Welt«, oder auch »Die Vertreibung aus der Hölle« ein Opfer seiner eigenen 2005 gehaltenen Frankfurter Poetikvorlesungen geworden ist. Hat er sich so hineingesteigert in seine Wut gegen die Welt, die laut Menasse nur noch das Kapital zu lenken weiß, dass er nun aus Trotz, einen matten, unterkomplexen Roman schrieb, der den langweiligen Leuten von den Hedgefonds zeigen soll, dass man genauso geschäftsmäßig und geistesabwesend einen Roman schreiben kann, wie man eine Portfoliodiversifikation betreibt? Man muss hier gerechterweise zugeben, dass es sehr viel schlechtere Bücher gab in diesem Jahr, allein, der Qualitätsabfall zu den vorherigen Büchern Menasses,lässt einen solche Gemeinheiten erfinden.

Da liegt ein erwachsener Mann im Koma seiner Befindlichkeiten, in Analyse auf einer Couch, er heißt Nathan und regt sich darüber auf, dass seine behandelnde Ärztin sofort bemerkt, wenn er am Telefon lügt, weil er eine Sitzung absagen will, aber während der Sitzung glaubt sie ihm jedes Wort. Diese Erkenntnis wäre sonst der Einstieg, das Katapult des Romans, von dem aus der Leser das Fliegen oder Fürchten oder sonst etwas lernen könnte, aber in diesem Fall wird daraus nichts, denn Nathan regt sich wirklich nur auf darüber, erzählt also Begebenheiten, gelogene und weniger gelogene, und bleibt ein trauriger Sack.

In diesem neuesten Roman bricht eine schreckliche, eben vielleicht durch die Frankfurter Poetikvorlesungen im Adornohörsaal induzierte lehrerhafte Liebe zu Ordnung, Plot und gleichmäßiger Durchführung aus.

Es ist ein nervtötendes Buch, man sollte es auf keinen Fall lesen, wenn man bereits anderes von Menasse las, es beschädigt einem die Erinnerung an die anderen Romane. Es reicht ein Blick auf den Schutzumschlag und den Titel, um die ungeheure Komplexität die in diesem Roman waltet in zwei Sekunden zu fassen und die Beschäftigung damit also sehr schön und geradezu erschütternd zeitsparend zu gestalten. Wahrscheinlich fand man die Entscheidung, statt der im Roman verwendeten Mehrrettichknolle eine Pfefferoni für das Titelbild zu wählen, auch noch besonders pointiert.

 

Robert Menasse: Don Juan de La Mancha Oder die Erziehung der Lust, Suhrkamp 2007

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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