18. Juli 2007

Neuzeitliche Geistergeschichte

 

Alles dran, schönes, wirklich ausgesprochen schönes Buch, besonders von außen, also haptisch, optisch. Der Bilgerverlag macht ja immer so schöne Bücher.

Urs Augstburger hat einen Bergroman geschrieben, mit allem, was sich ein Flachländer für die Berge denken kann, kurz: Sport, Fitness, Umweltbewusstsein, Golfplätze, eine Staumauer, die eine Ortschaft in ein schauderliches Atlantis verwandelte und die Erinnerungen der dort ehemals Wohnenden ins uferlos sentimental Abergläubische wabern lassen. Dazu die Sorgen der Hoteliers, geschäftstüchtig und sehr schön verfilzt mit der Lokalpolitik und der dickköpfigen Ureinwohnerschaft, die obendrein Mundart spricht, was man aber im Glossar, wenn’s zu arg wird, bei Bedarf also, erklärt bekommt.

Außerdem gibt es da von dem Herrn Augstburger den Versuch, eine neuzeitliche Geistergeschichte zu schreiben, also von Spuk und Metaphysischem zu berichten, ohne dabei in das Märchenfach zu rutschen. Und tatsächlich, nur das Jenerchind, also die im Januar geborene Lena, kann, wie das der Aberglaube für die Januarkinder vorsieht, Dinge und Wesen, auch Traummänner und das ganze Zeug, was zu einem ordentlichen Hokuspokus gehört, sehen, oder sie hat zumindest eine Antenne dafür. Allerdings ist sie geneigt, dies auf ihre Überarbeitung im Job und ihre gelinde Hysterie, wenn es um Beziehungen und Intrigen geht, zu schieben, diesmal hat sie aber recht. Ein anderer sieht die Geister auch, kapiert aber gar nicht, dass es Geister sind, die da in den Walliser Alpen ihr bedrohliches Wesen treiben.

Also man ahnt es schon. Hier wird eine Transferleistung angebahnt, die voll aufgeklärte, durch Karriereschiffbruch oder das blanke Leben desillusionierte Gemeinschaft von halbjungen Erwachsenen, die sich mit ihren Mobiltelefonen herumärgern und Selbstjustiz durch Fehleinkäufe betreiben, die nichts dringender wollen, als sich zu entspannen und mit einigem Aufwand auch hinkriegen, es sich einzureden, dass es klappt, verwickelt sich mit zunehmender Gefahr der Strangulation in Geistergeschichten und uralten Tratsch. Sie weisen diesen Blödsinn nur deshalb nicht von sich, weil es tatsächlich um Sabotage und nicht genehmigte Baumaßnahmen geht. Aber am Ende, und das habe ich noch vergessen, natürlich ist es eine Liebesgeschichte, und natürlich geht die ganz gut aus, ist ja schließlich ein Bergroman, am Ende ist der Säkularerwachsene Anfang vierzig mit allem ausgestattet, was ihn instand setzt, als alte Veddel oder gichtbrüchiges Männlein, also später einmal, genau solchen Geisterblödsinn erzählen zu können, wie das die Alten eben immer tun. Das wär denn auch der Kritikpunkt, den man belasten sollte bei diesem manchmal außerdem länglichen Text, das von Augstburger angepeilte Unternehmen Geistergeschichte ohne den Geruch von Oma mit muffigen Äpfeln ist gescheitert. Aber das ist nicht so schlimm, denn man erfährt viel übers Staudämmebauen, die ursprünglichen Bewässerungsmethoden der Walliser Bauern und die Lebensgefahr beim Graben von Tunneln, die alles leichter machen, aber erst wenn sie fertig sind.

 

Nora Sdun

 

Urs Augstburger: Graatzug, Bilgerverlag 2007

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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