10. Juli 2007

Künstler nach getaner Tat

 

Über Austern und Fliegenkuchen

 

 

 

 

 

10. Juli 2007

So fern. So nah.

 

Adidal Abou-Chamat, Linda McCue, Lukasz Chrobkok, Rene Goffin, Anke Haarmann, Daniel Maier-Reimer, Dirk Meinzer, Gabi Schaffner, Gerda Steiner, Jörg Lenzlinger, Kei Takemura, Jens Ullrich

 

So fern. So nah.

Begegnungen mit dem Fremden.

 

bis 30. September 2007,

Do bis So 13-17 Uhr

Palais für aktuelle Kunst,

KUNSTVEREIN GLÜCKSTADT, Am Hafen 46

www.pak-glueckstadt.de

 

 

 

Dirk Meinzer: Sirenenheime III.

Bin schon weg

 

Schaumgeboren. Es ist 20 vor 8, ich bin erschöpft angekommen und versuche mir klarzumachen, dass ich es geschafft habe. Glück, Glückssirene … Gluck gluck »weg war er« und »bin schon weg«. Endlich! … Ich bin noch über ein halbes Jahr hier. Zwei Monate, bis Anke kommt. Was soll ich bis dahin bloß tun? Jeden Tag Suaheli lernen! Was tun, jeden Abend, jeden Morgen und zwischendrin? Omari besuchen! Maxon! Zwei Monate Sirenensuche, roger, unterwegs sein, Tiere, Pemba? Urlaub? Warten! Worauf? Zeit verdrehen, verstehen, liegen, rauchen. Habe mir schon mit dem ersten Geld Zigaretten gekauft (nur drei am Tag). Sitze auf dem Boden von meinem Zimmer im YMCA. Wenge, wenge … kariako, kariako … wenge … dröhnt es mit Hupkonzert ins Zimmer. ’n Bier trinken und ab ins Bett. Morgen, Allah, ist bestimmt schon besser. Hoffe ich! Keine Moskitos in Sicht! Allah, alla, alleine. Noch nicht! Alleine! All weit, weit weg. Klarer Sternenhimmel: hohes Trostgeplinker.

 

1. Morgen: Gefrühstückt. Chapati mayai. Es kehrt ein kleines Lächeln in mein Gesicht über die Umstände. Von angenehmer Hitze umspült, die Spatzen zwitschern auf dem Nebentisch. Duschen. Suaheli lernen, den Plan machen und Pläne für Alternativen. Viel zu viele Kleider dabei. Antimückenkleiderspray, Medis, Arsumax kaufen, dann auf den soko ya samaki. Da sein! Mr. Valenci. Bus. Kwenda kutembeya. Bank über Touriinfo. EC-Test.

 

Muss, muss, muss. Jetzt habe ich mich entschieden, gleich morgen Früh nach Kilwa Masoko aufzubrechen und meine Bekannten Omari, Moussa und Nouru zu besuchen und Recherche zu beginnen. Ich dreh sonst durch. Habe vor der Entscheidung Angst. Bin hin- und hergerissen. Anke angerufen. Ich halt’s nicht aus! Drehe durch und durch. Verunsicherung macht sich weit. Anke nicht angerufen! Halfani hat mich abgeholt, und ich bin erst um 5.00 Uhr wieder im Hotel gewesen und habe den ganzen Tag gebraucht, mich von der Nacht zu erholen. Hure hat für mich getanzt.

 

Wahnsinn! Sehr gute Tänzerin. Tolle Zahnlücken. Kein Wort Englisch außer »marrie me ... fuck me dead«. Halfani und Aman waren angenehme Trinkpartner und haben mich vor Schlimmem bewahrt. Doch der Tag heute war mit Kopfweh in furchtbarer Erschöpfung wenig erbaulich, obwohl ich wieder auf dem Fischmarkt war. Mohamedi, den Fischpräparator, kennen gelernt. Rochen so groß wie … riesig. Morgen geht’s aber wirklich Richtung Kilwa. Die Sirenen rufen doch!!! Das Alleinesein fällt mir nicht leicht, und ich frage mich ständig, was ich tun soll. Hoffentlich entspannt sich bald die Situation, und ich erschöpfe mich am Reisen statt am Trinken. ...

 

aus "Kultur & Gespenster" Nr. 1

www.kulturgespenster.de