30. März 2007

Erinnerungsorte der Liebe

 

Nach der „Geschichte der Liebe“ ist nun auch der eigentliche Debütroman der US-amerikanischen Autorin auf Deutsch erschienen. Auch hier geht es um die Liebe, beziehungsweise um die Unmöglichkeit der Liebe ohne Erinnerung. Samson Greene, Englischprofessor in New York, wird allein in der Wüste bei Las Vegas aufgegriffen. Seine Frau Anna holt ihn ab und erfährt, dass er einen Gehirntumor hatte, der durch eine Operation entfernt wurde. Er gilt zwar als geheilt, hat allerdings keine Erinnerung mehr an alles, was nach seinem zwölften Geburtstag passiert ist. Also auch nicht an sie. Samson und Anna versuchen, ihr Leben in New York fortzuführen, doch sie merken schnell, dass das unmöglich ist, wenn nur einer der Partner um die gemeinsame Vergangenheit weiß. Liebe braucht Erinnerungsorte, die beiden zugänglich sind, sonst bleibt sie abstrakt. Samson kann sich zwar vorstellen, dass er sich einst in Anna verliebt hat, das Gefühl an sich ist aber nicht mehr abrufbar.

 

Nicole Krauss beschreibt die Einsamkeit ihres tragischen Helden auf einfühlsame Art. Der Mensch als hoffnungslos subjektives Wesen bleibt immer allein in seiner Wahrnehmung, nur erinnerte Interaktion bindet seine Geschichte an die anderer. Samson erkennt die Ausweglosigkeit seiner Situation zugleich als Chance für etwas Neues, er zeigt kein großes Interesse daran, sein Gedächtnis zurückzubekommen und die Fremdheit zwischen ihm und seinem sozialen Umfeld zu überbrücken. Deshalb muss auch die Beziehung zu Anna scheitern. Als er eines Tages einen Anruf von einem Arzt aus Kalifornien bekommt, der ihn bittet, an einem neuen Geheimexperiment zur Gehirnforschung teilzunehmen, lässt er sich darauf ein. In dem Forschungscamp in der Wüste, ganz in der Nähe seines Fundortes, trifft er auf Donald, der ebenfalls an den Experimenten teilnimmt. Samson freundet sich langsam mit dem älteren Mann an, ohne zu ahnen, dass er bald ein Stück aus dessen Erinnerung teilen soll. Samson erliegt den Verheißungen der naturwissenschaftlichen Möglichkeiten und versteht erst, als er mit Donalds traumatischer Erinnerung an einen der US-amerikanischen Atomtests in den 50er Jahren in der Wüste Nevada zurückbleibt, dass ihn der Gedächtnistransfer des Arztes nicht retten kann und ihn dieser zudem nur für eigene Zwecke missbraucht hat. Doch Samsons Suche nach der eigenen Identität geht weiter, leider wird es am Ende etwas kitschig, als er gemeinsam mit seinem Großonkel Max zum Grab seiner Mutter fährt. Aber die wenigen kitschigen Passagen seien der Autorin verziehen.

 

Katrin Zabel

 

Nicole Krauss: Kommt ein Mann ins Zimmer, Aus dem Englischen von Grete Osterwald, Rowohlt 2006, 319 Seiten

 

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