5. März 2007

Beherrschung

 

Eine Parallelgeschichte, aber sonst herrscht das lineare Prinzip: erst die eine, dann die andere. Der Komponist Adam Bergschmidt feiert seinen 60. Geburtstag, und lädt dazu sieben Frauen, die in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben, für sieben Tage in sein Landhaus ein. Er war drei Mal verheirat, hatte verschiedene Liaisons, eine Affäre, mehrere Kinder von verschiedenen Frauen, und er zeigt viel Mut, womöglich einen Hexenkessel zu erzeugen. Aber es kommt ganz anders. Es kommt so, wie man sich das von Rudolf Thome erwartet: ruhig, entspannt, und was da verspannt und ungelöst ist, kann ganz unspektakulär wegmassiert werden. Am Morgen seines Geburtstages sehen wir den Komponisten in seinem Bademantel, er streift durch seinen Garten, er geht zum See, holt Gießkannen, die er mit Wasser füllt und mit denen er Pflanzen gießt. Das ist auch das Grundprinzip des Films. Alle Figuren haben so reichlich, dass sie alle geben können. Keine Hilfeschreie, keine Eifersuchtsszenen, keine Intrigen, keine Gehässigkeiten, ein kleiner Ausbruch des ältesten Sohns, der den Abgrund erahnen lässt, den auch diese Familie zu bieten hat, aber der Schlag des Sohnes gegen den Vater ist kein Vatermord, Adam trägt nur eine Kopfwunde davon, und Billy Jenkins, so heißt dieser Sohn, beendet genau mit diesem Schlag sein Martyrium und fängt an, seinem Vater zu vergeben und sich auf ihn einzulassen. Eine solche Szene gibt es wie gesagt bei den Frauen nicht zu vermelden. Wenn es stimmt, dass sie für bestimmte Phasen des Komponisten stehen, dann braucht sich wirklich niemand im Weg zu stehen. Nur einmal gab es eben eine Affäre, Adams dritte und jetzige Frau, Eva, war schwanger, und da lies sich Adam mit der damaligen Literaturstudentin Marion ein. Das gab ein Jahr Hass seitens Evas, aber auch das ist gegessen. Es wird ja auch der 60. und nicht etwa der 30. Geburtstag gefeiert. Über allem liegt ein Respekt, der ein zu tiefes Graben verbietet. Diese Woche hat mehr mit dezenter Geschichtsschreibung zu tun als mit der Schürung von Knoten, deren Platzen dem Zuschauer die wahren Abgründe der Feier und der Beziehungen zeigen. Der alles andere abstimmende Tenor ist ruhige Freundlichkeit. Von den Frauen erfährt man nicht viel, am meisten noch von Adams erster Frau, mit der er den Sohn Billy zeugt. Berenice wird von Irm Hermann gespielt, zuerst sieht man nur ihren Schatten, sie spricht ein Gebet – sie ist Nonne in einem Kloster –, und sie wünscht sich Kraft beim Wiedersehen mit Adam. Am Ende des Films, nachdem die Gäste ein Konzert eines Werkes des Künstlers gehört haben, versteht man auch, warum sich Berenice Kraft gewünscht hat, denn noch immer liebt sie Adam. Schon beim ersten Tag wechselt sie ihr Nonnenkostüm gegen einen Abendanzug Evas, um mit Adam zu tanzen. Und nach dem Konzert sagt sie Adam, dass seine Musik noch vollkommener werden könne, wenn er sich einer spirituellen Sphäre öffnen würde, natürlich, ohne dass sie dies sagt, der christlichen. Und Adam sagt sofort, dass sie ihn ja immer noch liebe, und sie antwortet, ja, aber doch anders. Dies ist vielleicht das schönste Beispiel, wie der Film mit Zwischentönen umgeht, nämlich mit dem Einsatz anderer Zwischentöne. Man kann etwas sagen, belässt aber trotzdem alles beim alten. Das ist nicht sehr revolutionär, das klingt sogar sehr konservativ, aber diese Etiketten verlieren ihre Tauschmarke, wenn man bedenkt, in welchem Zusammenhang sie eingesetzt werden. Und außerdem: Das Ganze war ein Experiment mit ungewissem Ausgang; die Einsätze haben ihre Berufung mit einem Bildwert belohnt. Nicht Harmonie, sondern Harmonisierung.

 

Dieter Wenk (01.03)

 

Rudolf Thome, Paradiso – Sieben Tage mit sieben Frauen, D 1999, Hanns Zischler, Irm Hermann