11. Februar 2007

Durch die Provence und ihre Töpfe

 

Kochbücher hat man sich dick und behäbig oder großformatig und fett vierfarbig vorzustellen – dann kann’s cuisine-haft kalorienbewusst oder deftig kaltmamsellig zugehen. Die dritte Variante Kochbuch, die modernste, trägt einfach einen höchst bekannten Promi-Namen, und voilá, da hat man den Salat, der nach nix schmeckt und der ohne 17-Kochplatten-TV-Studio im Leben nicht nachkochbar ist.

 

Da überrascht das schlanke Buch einer unbekannten Autorin, die eine der besten Zutaten verkocht, die es für ein Kochbuch, ach was, für ein Buch überhaupt, geben kann: die Liebe zum behandelten Gegenstand. Die Rede ist von dem Buch „Küche des Midi“, wie der Frankreich-Kenner den Süden der Grande Nation nennt, und Ute Meyer hat es geschrieben. Sie wird auf dem Klappentext als 50-jährige Kriminalkommissarin in Frankfurt/Main vorgestellt, was spannend klingt. Aber ihre Trüffelnase hat sie ganz einfach durch viele neugierige Aufenthalte in der Provence erworben.

 

Ihre „Rezepte und Geschichten aus der Provence“ (Untertitel) beginnt Ute Meyer mit einer knappen Einführung in das „Midi“, und von da an sind immer alle Orte, Speisen und Verfahren lehrreich, aber doch unaufdringlich zugleich in der Landessprache benannt. Das vermittelt die Gegend nördlich der Cote d’Azur ebenso farbenfroh wie die Anekdoten und kleinen Begebenheiten, welche die kriminologisch recherchierende Köchin Meyer in ihr Buch eingestreut hat. Schlaglichter aus der Geschichte der Résistance blitzen da durch, porträtartige Schilderungen von Weingutbetreibern und Wirten sind eingeflochten, Reiserouten sind als Einkaufstouren zu eigensinnigen Produzenten ausgelegt. Gäben die offenbar sehr exakt aufgeführten Rezepte nicht zwischendurch eine Art Taktung des Ganzen ab, könnte man dieses Buch für leicht chaotisch halten – dabei ist es schlichtweg eine reiche Quelle von Tipps und Insider-Informationen über einen der schönsten Landstriche Europas.

 

Mehr als 40 Seiten machen dem Weinkenner den Mund mit den Erzeugnissen bekannter und ganz abgelegener Chateaus wässrig – wenn man das denn so formulieren darf –, und daneben wird man auf den Geschmack der Kräuter und Süßigkeiten, der Öle und Käsesorten der Provence gebracht. Wer bei Parisienne an Menschen mit Baguette unterm Arm denkt, erhält eine umfassende Ergänzung über die regionalen Brotsorten, und dann geht es zur Sache: Vorspeisen, Salate, Suppen, Geflügel, Wild, Fleischgerichte, Gemüse, Desserts, Kuchen, Sorbets – alles was die Provence auf den Tisch bringen kann. Hilfreiche Quellenangaben zum Bestellen und direkten Einkauf ergänzen das Buch hilfreich – und wecken die Lust, dieses Fleckchen Erde ausgiebig zu bereisen und abzuschmecken.

Es ist erfreulich, dass die zum Marketing-Gag verkommene Kategorie Kochbuch auch auf unprätentiöse Weise weiterlebt.

 

Toni Morheimer

 

Ute Meyer: Küche des Midi, Geschichten und Rezepte aus der Provence, Edition Bernd Reimer, 2007, 192 Seiten, viele Abbildungen, 21 Euro

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

amazon