2. Mai 2006

Kitsch

 

Das Glücksversprechen ist eine Schmonzette von der ersten bis zur letzten Seite. Stellen Sie sich eine Familie vor, die von London nach Cornwall zieht, die Kinder sind alle einigermaßen groß und verfolgen ihre eigenen Interessen. Die Eltern sitzen also auf dem Land an der kitschigsten Stelle in ganz Britannien und Vater spielt Golf und meckert über die Sesselfurzer, Mutter beschäftigt sich mit Blumengestecken für die Kirche und lässt in rhythmischen Abständen das Essen anbrennen. Das soll alles sehr nett sein.

 

Um den Text aus der völligen Verpilcherung zu heben, gibt es eine Tochter, die älteste, schönste, angeblich intelligenteste, was einem beim Lesen nicht so recht einleuchten mag, und die saß also nun zwei Jahre in einem Gefängnis in den USA, und das ist natürlich nicht so schön. Peinlich für sie, die Eltern und Geschwister, umso peinlicher, da alle sie anbeten.

 

Weil das Buch eine Schmonzette ist, hat die Tochter nicht einfach einen tollen Bruch gemacht, irgendwo Perlen geklaut oder einen Fahrradkurier erschlagen, nein, sie hat ein Tiffany-Fenster, das ganz offensichtlich Hehlerwahre war, weiterverkauft, aber dies tat sie sozusagen aus Liebe, sozusagen und vor allem, weil sie sich leidenschaftlich mit Tiffany-Glas beschäftigte, bereits seit Jahren und irgendwie aus lauter Gutmütigkeit und Herzenswärme.

 

Es ist auch gar nicht die Tochter, um die es geht, sondern um die Glorifizierung der Tochter durch den Vater, einem frustrierten Sack, der mit beuliger Patriarchenlogik weder darüber hinwegkommt, frühverrentet zu sein, noch seine untadelige Tochter der schaltenden und waltenden Justiz zu lassen. Natürlich war alles hinterher noch viel weniger eine Straftat und ein noch größerer Justizirrtum.

 

Einzig interessant an dem ganzen Buch ist der Aspekt familiärer Selbstjustiz, leider wird das nicht präzise ausgeführt. Sondern von einem rührseligen Gesülze aller Beteiligten eingekleistert. Es ist unerträglich, was für schlagfertige Dialoge die Protagonisten Cartwrights in höchster Qual zustande bringen. Irgendetwas stimmt da nicht.

 

Das macht aber nichts – denn wer ein Buch lesen will, in dem auf jeder Seite von Liebe und Verantwortung die Rede ist, von geschwisterlicher Zuneigung und Loyalität, ist mit dem „Glücksversprechen“ bestens bedient, eine echte Seifenoper, stilistisch gerade noch zu ertragen und nur an wenigen stellen vollkommen abgeschmackt.

 

Gustav Mechlenburg

 

Justin Cartwright: Das Glücksversprechen, Roman, Zsolnay 2006, 394 Seiten

 

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